Liebe Leser*innen,
dieses Jahr habe ich zwei Jubiläen, die ich als Anlass für einen meiner reflektierenden, zusammenfassenden Beiträge nehme.
Vor 10 Jahren, damals bei Point Nine Capital / Team Europe Ventures, fing ich meinen Blog www.bootstrapping.me an.
Vor 35 Jahren wurde ich geboren (Wikipedia macht mich jünger, als ich bin) und habe damit (bei guter Führung) noch 2/3 meines Lebens vor mir.
Berufung statt Karriere
Während meines Studiums (erst Münster, später St. Gallen und USA) wollte ich eine „klassische“ Karriere als Berater anfangen, später ins Private Equity wechseln und dann irgendwann meine eigene Firma haben. Geprägt durch die Erziehung meiner Eltern, war die Zielsetzung, „Unternehmer“ zu werden, vorprogrammiert.
Studium, Praktika, Ausland, Leistungssport, Politik und Beratung – nachdem ich mit 18 mein Abitur erhielt, gab ich 150 % Vollgas. Meine beiden Studiengänge zog ich in vier Jahren mit Disziplin & Fleiß durch und diese „gewonnene Zeit“ wollte ich später dann „investieren“, wenn ich meine Ziele erreicht hätte.
Jedoch endete meine Karriere, bevor sie begann. Alle Bewerbungsgespräche bei den führenden Strategieberatungen führten zu keinem Angebot.
Dafür landete ich über Jan Beckers bei Team Europe und Lukasz Gadowski. Statt gutes Geld zu verdienen, durfte ich der ersten Gründergeneration helfen, ein neues Start-up-Ökosystem aufzubauen. Damals konnten Kommilitonen, meine damalige Freundin und meine Eltern diesen Schritt kaum nachvollziehen. „Start-ups“ und „Venture Capital“ waren noch nicht im Mainstream angekommen.
Für mich wurde es meine Berufung.
Ich fühlte mich von Anfang an wohl in der jungen Start-up-Szene. Wir waren alle vorher die Außenseiter, Nerds & Streber mit hoher Affinität zu Technik, Computer und Videospielen gewesen.
Durch unsere Gründungen konnten wir unsere Vorstellung der neuen digitalen Welt ausleben und Ideen mit extrem hohem Tempo umsetzen. Zalando und Delivery Hero sind zwei erfolgreiche Berliner Gründungen, die es bis in die oberste Börsenliga Deutschlands geschafft haben, und stehen als Referenz für die heutige deutsche Digitalindustrie.
Irgendwann waren die Außenseiter keine Außenseiter mehr.
Heute ist die digitale Welt kein Neuland mehr, sondern akzeptierte Realität mit hohem, akutem Handlungsbedarf für Verwaltung, Unternehmen, Bildung und Bevölkerung.
Von Brautkleidern zur Künstlichen Intelligenz
Jedenfalls zurück zu meinem Werdegang. Bei Team Europe / Point Nine Capital bekam ich einzigartige Möglichkeiten und Einblicke in den Aufbau von Firmen und frühe Finanzierung („Venture Capital“). Jedoch wollte ich unbedingt auf der anderen Seite des Tisches sitzen (aus Sicht des Investors) und selber eine Firma führen.
2012 gründete ich Wunsch-Brautkleid.de zusammen mit Michael Heid: Zwei unverheiratete Männer, die in den folgenden Jahren erfolgreich vielen Frauen zum perfekten Hochzeitskleid verhalfen.
Diese Jahre habe ich mit meinem Blog sehr gut dokumentiert. Ich habe über die Ideen, den Teamaufbau, die Investorensuche, Vertrieb & Marketing und Alltagserfahrungen geschrieben: Das ABC für Unternehmer.
Rückwirkend romantisiert das Gehirn die Erfahrungen. Doch ich weiß noch genau, wie sch*** ich mich oft fühlte, wie mies es meinem Körper ging, und dass ich vermutlich eine längere depressive Phase hatte. Die Mischung aus konstantem Geldmangel (alles floss in die Firma), vielen Konflikten mit meinem Geschäftspartner und einer instabilen Beziehung machten diese Jahre zu harten Jahren.
2014, zum Ende der Zeit mit Wunsch-Brautkleid, gründete ich dann, mit Unterstützung meines Vaters, Asgard Capital. Auch diese Phase habe ich gut in meinen Artikeln über Venture Capital dokumentiert.
Recht früh fokussierte ich mich dabei auf Künstliche Intelligenz für unsere Beteiligungen. Ich konnte daher einige großartige KI-Unternehmer über die Jahre mit Kapital und Netzwerk unterstützen.
Dabei wurde 2014/2015 recht schnell klar, dass es einen enormen Nachholbedarf in der Aufklärung über Künstliche Intelligenz gab. KI ist nach wie vor die Eisbergspitze der Digitalisierung und wird uns auch weiterhin über Jahrzehnte beschäftigen.
Jedenfalls hatte ich nun einige sehr spannende Jahre vor mir. Es fing mit 3 TEDx-Vorträgen an, dann folgten dutzende Interviews mit großen Zeitungen & Medien, Hunderte Fachartikel, Videobeiträge und Podcast-Folgen. Später kamen die Einladungen nach Brüssel, in den Bundestag und zu diversen Think-Tanks.
Ich flog durch die Welt, redete, schrieb und investierte. Parallel baute ich zusammen mit meiner Ehefrau, Veronika, Rise of AI auf. Nie als Firma geplant, wurde aus dem Meet-up „Berliner Futuristen“ über die Jahre eine der führenden KI-Konferenzen Europas.
Dann kam Covid.
Meine zweite Chance
Irgendwie kommen mir die Jahre vor Covid wie ein Rausch vor. Ich habe 50+ Länder bereist, hatte Tausende Meetings und habe vor Zehntausenden Menschen gesprochen. Manchmal sage ich mir, dass ich in 10 Jahren mehr erlebt habe als manche Menschen in einem ganzen Leben.
Covid gab mir die notwendige Pause, die ich brauchte, um endlich mal innezuhalten. Ich habe diese genutzt und sehe dies nun als meine zweite Chance an.
Ich habe heute eine finanzielle Basis, die mir Handlungsfreiheiten einräumt. Ich kann bewusst Entscheidungen treffen und lasse mich weniger von inneren Ängsten & Bedürfnissen treiben.
Meine Ehe läuft inzwischen fantastisch. Mein Körper ist vitaler und schlanker denn je. Meine mentale Gesundheit ist bestens und ich habe eine ganz neue Welt der Gefühle, inneren Ruhe und Wertigkeit entdeckt.
Doch gleichzeitig ist vieles nicht mehr da, was mich früher antrieb: Geltungsdrang, Selbstdarstellung, Anerkennungssucht, Angst vor Ablehnung, die Gier nach immer mehr von allem.
Mein Rucksack des Lebens ist heute sehr viel leichter geworden. Meine Seele strahlt wieder. Doch gleichzeitig bin ich erneut auf der Suche nach meiner Rolle in der Gesellschaft.
1/3 meiner erwarteten Lebenszeit ist nun um. Es waren ereignisreiche Jahre und ich wurde von großen Schicksalsschlägen verschont. Danke dafür, liebes Universum!
Übrigens, vor 6 Wochen habe ich wieder eine Firma gegründet. Natürlich geht es um Künstliche Intelligenz. Ich werde dich auf dem Laufenden halten.
Ich kann einfach nicht allzu lange stillsitzen …
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