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Die Verschnaufpause – Selbstquarantäne (Woche 3)

Gestern war wieder so einer dieser Tage.

Ich stehe in der Schlange eines Supermarktes. Ein Einkaufswagen Abstand zwischen mir und der Person vor mir.

Plötzlich steht ein Aufpasser vor mir. Brüllt mich an, ich solle 2 Meter Sicherheitsabstand bewahren. Seine Spucke klatscht mir dabei ins Gesicht aus 30 cm Entfernung.

Willkommen in der neuen Normalität

Ich möchte nicht undankbar sein. Eher im Gegenteil. Ich bin privilegiert. Ich bin gesund und finanziell stabil. Ich kann von überall aus arbeiten. Dazu bin ich ungemein dankbar für jene, die an der vordersten Front das Leben aufrechterhalten: Kassierer, Pfleger, Ärzte und Beamte.

Es sind Zeiten des Coronavirus, Covid-19 oder auch Sars-CoV-2 genannt.

Mein Blog ist ein Tagebuch. Für mich und die Welt. Daher schreibe ich heute über meine Erfahrungen und Gedanken der letzten Wochen.

Selbstquarantäne = Entschleunigung

Ich bin die letzten Jahre nur Vollgas durchs Leben gefahren: pro Jahr 500 Termine, > 20 internationale Reisen und 40 Konferenzen.

Und plötzlich ist alles auf Stopp. Das Büro ist geschlossen. Keine Konferenzen. Keine Reisen. Fast keine Meetings mehr. Sogar meine Inbox bekommt 75 % weniger E-Mails.

Ich nenne es die „Entschleunigung des Lebens“. Alles ist langsamer oder zum Erliegen gekommen.

Diese Krise betrifft nicht die Banken und die Immobilienbranche, sondern das soziale Leben der Menschen. Der Grund, wieso wir existieren: Mit anderen Menschen zu interagieren. Die Gesellschaft befindet sich aktuell noch in einer Schockstarre.

Regierungen haben mit einem Tempo Bürger- und Grundrechte eingeschränkt, das hätte ich unserer langsamen Bürokratie gar nicht zugetraut.

Ich habe zum ersten Mal seit dem Abitur „freie Zeit“. Zeit, die bereits über das Jahr verplant war – plötzlich höre ich auf, in meinen Kalender zu schauen.

Cash Is King

Wirtschaftlich sind das keine einfachen Zeiten – für alle von uns.

Wir befinden uns in einem rechtlichen und kommunikativen Neuland.

Erst ignorierte ich die Realität. Dann wurde ich traurig, wütend und anschließend mutlos.

Inzwischen habe ich wieder Hoffnung und Vorfreude. Ich habe die Umstände akzeptiert.

Ich schreibe jetzt Anträge für Horizon 2020. Einfach mal neue Wege gehen.

Für Startups ist es nicht einfacher. Viele Büros sind zu. Hilfsgelder werden beantragt. Kunden zahlen nicht. Teilweise sind die Umsätze komplett weggebrochen, weil der Einzelhandel geschlossen ist.

Cash is king. Heute wichtiger denn je.

Krisen sind gut für jene, die Liquidität haben und durchstehen.

Verschnaufpause

Ansonsten fühle ich zum ersten Mal seit Jahren, dass ich „freie Zeit“ habe. Zeit, die nicht verplant ist. Die Ungewissheit stört mich nicht – ich genieße sie sogar. Es ist eine Verschnaufpause.

Ich schlafe gut – ohne den Wecker zu stellen.

Meine Frau backt und kocht viel – ich esse regelmäßiger.

Ich telefoniere wieder mehr mit meinen Eltern und meiner Schwester.

Ich schaue wieder Nachrichten, lese News und verbringe mehr Zeit auf Facebook.

Mein Netflix-Konsum ist nicht gestiegen. Stattdessen lese ich ein Buch pro Woche (ich habe LitRGP entdeckt.)

Meine PS4 habe ich rausgeholt und zusammen mit meiner Frau in Diablo 3 maximal geleveled.

Gestern Abend war ich erneut in der VR und bin mit Google Earth durch die Südfranzösischen Alpen geflogen. Danach war ich kurz beim Burning Man und habe mir zum Abschluss den Sonnenuntergang in der Wüste angesehen.

Ich beschäftige mich mit der Frage nach meinem Selbstwertgefühl und meditiere täglich.

Ich kann die Umstände nicht ändern und genieße die erzwungene Entschleunigung.

Zurück in die neue Normalität

Derzeit lernen wir viel. Es überrascht mich, wie schnell sich das soziale Verhalten der Menschen ändert. Inzwischen ist man jedem Menschenkontakt gegenüber skeptisch. Es entstehen neue Normen, wie wir mit Menschen physisch interagieren oder sie vermeiden.

Im Sommer wird die Situation wieder entspannter. Wir werden zurück in den gewohnten Alltag kehren.

Doch wird die Post-Corona-Welt eine andere sein. Es wird eine neue Normalität geben.

Ein Leben ohne den Hype, sondern die Akzeptanz, dass Epidemien real sind und wir uns anpassen werden.

Ich wünsche Dir eine gesunde, glückliche und entspannte Zeit. Genieße es, wenn Du kannst. Die Welt nimmt bald wieder an Fahrt auf und die Zeiten werden nicht einfacher.

 

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