in Buch

China – die erste Supermacht der Künstlichen Intelligenz – Kapitel 3

China ist auf dem Weg, zur ersten globalen Supermacht für künstliche Intelligenz zu werden.

Die Volksrepublik China hat die ehrgeizigste KI-Strategie aller Nationen und stellt weltweit die meisten Ressourcen für deren Umsetzung zur Verfügung.

China kombiniert eine gigantische Menge Daten mit Talenten, Firmen, Forschung und Kapital zum Aufbau des führenden KI-Ökosystems der Welt.

National AI Strategy

2017 veröffentliche der Staatsrat der Volksrepublik China (auch als Zentrale Volksregierung bekannt) den Künstliche-Intelligenz-Entwicklungsplan (hier findest Du das Originaldokument auf Englisch).

Diese Strategie ist Teil des noch größeren nationalen „Made in China 2025“-Plans und soll zudem mit der (digitalen) neuen Seidenstraße verbunden werden.

Mit diesen Plänen fasst China das Ziel ins Auge, die größte Wirtschaftsmacht der Welt zu werden und seinem Volk einen angemessenen Wohlstand zu bieten, der von einem politisch stabilen System garantiert wird. Darüber hinaus sichert China auf diese Weise ab, dass wirtschaftliche, militärische und diplomatische Interessen bewahrt werden.

Künstliche Intelligenz für die Durchsetzung von chinesischen Interessen

Dabei spielt Künstliche Intelligenz eine wesentliche Rolle.

KI soll die gesamte chinesische Industrie bis 2025 vernetzen und komplett upgraden. Künstliche Intelligenzen werden die Waren produzieren, lenken und Angebot sowie Nachfrage austarieren.

Dafür wird KI der zentralen Regierung helfen, die eigene Bevölkerung zu überwachen und zu kontrollieren. Künstliche Intelligenzen werden zur Wahrung von militärischen und digitalen Interessen eingesetzt, sie sollen jedoch ebenso der Bevölkerung ein gutes Leben in Sicherheit ermöglichen.

Zentrale Strategie – lokale Umsetzung

China verfolgt eine zentral gesteuerte Strategie mit hyperlokaler Umsetzung. Von oben werden Werte und Ziele vorgegeben sowie Ressourcen zur Verfügung gestellt.

Auf lokaler Ebene der Kommunen, Städte und Provinzen stehen regionale Verwaltungen im Wettbewerb um die neuen KI Cluster.

Das Resultat ist ein nationaler und regionaler Verwaltungsstaat, der eng mit Forschung, Kapitalgebern und Industrie zusammenarbeitet, um ein erfolgreiches KI-Ökosystem aufzubauen.

Dabei erfolgt die Umsetzung der nationalen Strategie regional sehr unterschiedlich. Während Städte wie Tianjin und Shanghai bereits milliardenschwere KI-Stadt-VC-Funds ausgesetzt haben und ganze Stadtteile und Inseln für neue KI-Firmen bauen ließen, befinden sich andere Provinzen noch im Lern- und Entwicklungsprozess.

KI als Karrieremotor

Insgesamt macht China dabei einiges richtig. Die Bereitstellung von Rahmenbedingungen, Ressourcen und Zielen, gepaart mit lokaler Freiheit zur Anpassung, erschafft eine stark wachsende KI-Industrie. Gleichzeitig setzt der Staat Anreize für die Verwaltung und Politik, sich in der KI-Industrie zu behaupten und für höhere Aufgaben zu empfehlen.

Dafür geht die Regierung analytisch vor und ist sich eigener Schwächen und Stärken bewusst. Es wurden Hunderte neue KI-Professuren eingerichtet, Hunderttausende Studienplätze geschaffen.

 

China hat inzwischen ein reifes und leistungsfähiges Start-up-Ökosystem, auf dem jüngere KI-Firmen aufsetzen. Es gibt ausreichend Kapital von staatlicher und privater Seite für die Gründung, Skalierung und das Wachstum von KI-Start-ups aus China.

Der Staat fordert und fördert

Junge Firmen erhalten zudem Steuererleichterungen, Staatsaufträge und Büros in KI Clustern, wenn sie es wünschen.

Parallel dazu arbeitet Chinas Regierung eng mit etablierten Digitalkonzernen wie Baidu, Alibaba und Tencent zusammen. Die strategischen Ausrichtungen werden von der Zentralregierung begleitet, die Sammlung und der Austausch von Daten innerhalb der Firmen wird ermöglicht.

Das Resultat ist, dass China den größten Kapitalmarkt für KI-Start-ups hat, inzwischen die meisten Forschungspapiere über KI veröffentlicht, eine großzügige Datenregulierung hat und die meisten KI-Talente ausbildet.

Doch gleichzeitig fehlt es China an Vielfalt, Kreativität und Partnern. Daher haben gleich mehrere Agenturen den staatlichen Auftrag erhalten, Talente aus Europa anzuwerben und mit europäischen Partnern Beziehungen aufzubauen. 

Der chinesische Social Score

Ein relevantes Beispiel für die Anwendung und Umsetzung von künstlicher Intelligenz in China ist der Social Score.

Im Grunde bildet er die Idee ab, eine Gesellschaft zu steuern und zu verwalten – mit Maschinen anstatt Menschen.

In jedem Land existieren Gesetze, kulturelle Normen, gesellschaftliche Moral und soziale Absprachen. Die Polizei, Gerichte, Politiker, Verwaltungen, Medien und Bürger sind in einem konstanten Dialog involviert, er bestimmt, was wir als richtig oder falsch definieren.

In China hat diese Aufgabe teilweise eine Maschine übernommen.

China Social Score System 2020 - Artificial Intelligence - Fabian Westerheide

Die Maschine entscheidet über richtiges und falsches Verhalten

Der Social Score ist ein System, das alle möglichen Daten über Bürger und Unternehmen sammelt, sie sortiert, analysiert, bewertet, interpretiert und darauf basierend (von Menschen vorgegebene) Handlungen umsetzt.

Konkret bedeutet das, wenn man an einer roten Ampel wartet, bekommt man Pluspunkte. Wenn man seine Steuern und Rechnungen pünktlich zahlt, gibt es Pluspunkte. Wenn man sich gesellschaftlich einbringt und die Regeln akzeptiert, gibt es ebenfalls Pluspunkte.

Wer einen guten Social Score hat, erhält dafür unaufgefordert Vorzüge für sein soziales Verhalten. Diese beinhalten zum Beispiel schnellere Visa und mehr Reisefreiheit. Beim Onlinedating wird das eigene Profil mit einer höheren Priorität empfohlen. Banken vergeben günstigere Zinsen für Firmendarlehen oder den Immobilienkauf. Menschen mit einem hohen Social Score erhalten schneller Beförderungen und bessere Jobangebote.

Wer jedoch über Rot geht, jemanden beim Autofahren schneidet, auf die Straße spuckt oder sein Kaugummi unter den Sitz klebt, bekommt Minuspunkte.

Wer sich staatskritisch in sozialen Medien äußert oder seine Rechnungen zu spät bezahlt, bekommt ebenfalls Minuspunkte.

Ein schlechter Social Score reduziert somit die Wahrscheinlichkeit sich fortzupflanzen, Geld zu verdienen oder das Land zu verlassen.

Freiheit oder Sicherheit?

Das alles ist kein Ausschnitt aus George Orwells Roman 1984 oder Black Mirror, sondern die heute bereits gelebte Realität in China.

China ist dabei nicht alleine unterwegs. Länder wie Singapur entwickeln eigene Systeme mit vergleichbaren Zielen.

Für uns wirft der Social Score viele Fragen auf, die exemplarisch für unsere Diskussion über Künstliche Intelligenzen stehen:

  • Wer überwacht den Score, wer spielt die Daten ein und wer trainiert das System?
  • Wie werden ethische Debatten und der Moralkonsens einer Gesellschaft eingebunden?
  • Welche staatlichen und zivilen Instanzen überwachen das System zur Vermeidung von Manipulation, Vorurteilen und Machtmissbrauch?
  • Gibt es einen Rechtsweg zur Einzelfallentscheidung für die Überprüfung des eigenen Scores?
  • Welche Daten werden gesammelt? Wer hat Zugriff darauf?
  • Wie wird die Privatsphäre von Bürgern und Firmen sichergestellt?
  • Werden nur chinesische Staatsbürger überwacht oder alle Menschen auf chinesischem Territorium?
  • Sammelt die Regierung auch Daten über Chinesen im Ausland?
  • Wie kann ich meinen Social Score einsehen?

Die Sammlung von Daten und die Einrichtung von Verwaltungssystemen zur Gewährleistung von Schutz, Freiheit und Sicherheit für alle Beteiligten ist ein legitimes Instrument für Staaten. Doch mit zunehmender Überwachung muss der Schutz der Privatsphäre respektiert werden, solange das Wohl der Gesellschaft davon nicht betroffen ist.

Die Künstliche Intelligenz Kriege kommen

China wird in absehbarer Zeit die erste globale KI-Supermacht.

Wie wird der Rest der Welt auf die Führungsposition Chinas reagieren?

Die USA haben vereinzelte chinesische KI Firmen bereits auf Sanktionslisten gesetzt. Gleichzeitig wurde der Export von amerikanischer KI Software nach China eingeschränkt.

Unter der Federführung der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, wird Europa verstärkt KI regulieren und kontrollieren zu versuchen.

Während die USA auf Konfrontation setzen, geht Europa den Weg der Integration.

Doch viele kleinere Länder sind inzwischen auf chinesisches Kapital angewiesen oder haben einen wenig regulierten digitalen Binnenmarkt. China wird seinen Einfluss entlang der digitalen Seidenstraße mithilfe von Kapital und KI-Software ausbauen.

Wir werden daher beobachten, dass die Amerikaner chinesische Ambitionen aktiv bekämpfen werden.

Die Europäer werden versuchen chinesische KIs zu kontrollieren, jedoch nur innerhalb der eigenen digitalen Grenzen.

Der Kampf um die Kontrolle der stärksten Künstlichen Intelligenzen wird sich intensivieren. China hat dabei einen Vorsprung, der weiter ausgebaut wird.

Diesmal sind es die westlichen Länder, die aufholen müssen.


Dies ist Kapitel 3 meines geplanten Buches. Bisher habe ich darüber geschrieben, warum jetzt die beste Zeit der Menschheit ist (Kapitel 1) und wie es um die globale Künstliche-Intelligenz-Industrie steht (Kapitel 2).

Wenn Du später exklusiv ein gedrucktes Buch erhalten, früher über neue Kapitel erfahren und erneut von mir lesen möchtest, dann trage Dich bitte HIER ein.

Ansonsten kannst Du gerne wie gewohnt kommentieren, mir eine E-Mail schreiben ([email protected]) und mich auf LinkedIn adden.

Interessant?