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Asgard – ein neues Kapitel und Rückblick der letzten 10 Jahre als Venture Capitalist

Heute beginnt formal ein neues Kapitel für Asgard – eines meiner Herzensprojekte der letzten 10 Jahre.

Mein Einstieg ins Berliner Startup-Ökosystem war 2010 intensiv und wild. Ich hatte das Glück und perfekte Timing, um mit Lukasz Gadowski, Jan Beckers und den weiteren Partnern von Team Europe ganz früh bei vielem dabei zu sein.

Mit Team Europe (heute Team Global) bauten wir damals erstmals fast schon serienmäßig neue Firmen und zogen diese groß. Rückblickend ist die Gründung und der spätere Börsengang von Lieferheld/Delivery Hero das perfekte Resultat für die damalige Zeit gewesen.

Jedenfalls konnte ich parallel bereits beim Verwalten von Lukasz‘ privatem Angel Portfolio unterstützen, aus dem dann der erste Team Europe Fund entstand und gegen 2010 dann Point Nine Capital gegründet wurde. Die kommenden zwei Jahre half ich den beiden Partnern Christoph Janz und Pawel Chudzinski bei allem, was eine junge Venture Capital Firma ausmacht (Dealflow, Marketing, Struktur, Fundraising, Operations).

Unruhig, wie ich bin, verließ ich „den besten Job der Welt“ und gründete anschließend Wunsch-Brautkleid.de zusammen mit Michael Heid. Dies war eine turbulente Zeit, die einige Zeit später mit dem Verkauf an ein Hochzeitsportal endete.

Damals, so um 2013 herum, trieben mich die Gedanken, was ich sinnvolles mit meiner Lebenszeit machen möchte und wie ich es schaffe, meine Firmen und Aktivitäten um mich herum aufzubauen, basierend auf meinen Interessen und Fähigkeiten.

Es war die Zeit, in der ich bereits intensiver in die Welt der Künstlichen Intelligenz einstieg, was ein ganz neues Kapitel in meinem Leben startete.

Mir fiel damals auf, dass wir grandiose Forscher und Unternehmer für Künstliche Intelligenz in Deutschland haben – aber kein Kapital, um diese zu unterstützen. Es gab 2013 einfach keine professionelle Venture Capital Firma, die gezielt KI-Firmen finanzierte. Damals war die große Welle eCommerce, Lead Generation und Mobile.
Daher entschied ich mich 2014, eine eigene Venture Capital Firma zu gründen mit dem Fokus auf Künstliche Intelligenz.

Asgard Capital entstand.

Nun besteht das Geschäftsmodell einer Venture Capital Firma daraus, dass man Geld von externen Kapitalgebern („LPs“ genannt = Limited Partner) einsammelt und dies gezielt in neue Portfoliofirmen investiert, den Wert steigert und am Ende seine Anteile für einen hohen Gewinn wieder verkauft. Hohe Gewinne sind notwendig, weil viele Startups nie das Ziel („Geld verdienen“) erreichen.

Das erste Fundraising war sehr frustrierend. Vom EIF (European Investment Fund) bekam ich zurück: „KI gibt es nicht, mach lieber was mit Internethandel“. Diese Aussage spricht Bände über den Zustand der europäischen Wagniskapitalindustrie.

Risiko nein, außer man bekommt garantiert Geld.

Daher legte ich einfach mal mit eigenem Geld los, etwas Kapital kam dann aus der Familie und später kamen erste befreundete Unternehmer dazu. Ich hatte mich also bewusst dafür entschieden, erstmal zu investieren und einen „Track Record“ aufzubauen.

Natürlich wollte ich damals alles formvollendet richtig machen und eine „richtige Venture Capital Firma“ führen. Daher entschied ich mich für den legalen Weg, legte Asgard als Venture Capital Fonds auf und durchlief den Registrierungsprozess bei der BaFin. Da das KAGB 2014 frisch herauskam, war ich vermutlich nicht nur der erste europäische VC mit Fokus auf KI, sondern auch einer der ersten VCs, die nach KAGB reguliert wurden.

In 2018 startete ich dann die zweite Fundraisingwelle für Asgard. Ich hatte ein Security Token Offering entwickelt, gemäß des damaligen ICO-Hypes im Crypto Space. Rechtlich konnte ich alles sauber umsetzen, mit Abstimmung der BaFin. Doch lernte ich auf die harte Weise, dass Venture Capital absolut veraltet als Geschäftsmodell ist und dies auch so bleibt. Dazu kommt, dass die Anlageklasse Wagniskapital weiterhin nur sehr wohlhabenden Menschen erlaubt zu investieren. Meine geplante Demokratisierung von Venture Capital für jedermann war einfach in Europa nicht umsetzbar.

Trotzdem gewann ich weitere Investoren für Asgard und bin hier ganz besonders Dr. Marc Städing und Steffen Seeger dankbar für ihre Zeit, Unterstützung und Rat.

Nun ist der Zyklus eines Venture Capital Fonds vordefiniert. Grob gesagt läuft dies so ab:
• 2 Jahre Geld einsammeln (das habe ich durchgehend gemacht zwischen 2014 und 2018)
• 2 bis 4 Jahre investieren (bei uns 2014 bis 2020)
• 4 bis 6 Jahre halten und dann alles verkaufen.

Daher läuft ein typischer VC-Fonds gut 10 bis 20 Jahre, bis dieser all sein Kapital an die Anleger ausgeschüttet hat.

Spulen wir vor ins Jahr 2023: Letzte Woche war inzwischen ein wichtiger Tag für mich.

Ich habe offiziell die Registrierung Asgards bei der BaFin zurückgegeben.

Rechtlich bedeutet dies, dass Asgard inzwischen keine Venture Capital Firma gemäß KAGB ist.

Die Gewinne Asgards habe ich in den letzten beiden Jahren bereits ausgeschüttet. Anfang des Jahres haben offiziell alle externen Kapitalgeber Asgard „verlassen“.

Was ist Asgard nun?

Ich bin mir noch nicht sicher, wie ich es nennen soll. Rechtlich gesehen habe ich Asgard unter die Familienholding der Familie Westerheide gehängt als eigenständiges Investmentvehikel.

Wir investieren weiterhin auch in DeepTech und halten auch noch einige bestehende Beteiligungen, die nicht dem klassischen „von Gründung zum Exit“ Modell unterliegen.

Doch jetzt investiere ich nur noch mit eigenem Geld und bin diese verdammte Regulierung los. Gerade die Bürokratie hat mich extrem genervt und viel Geld gekostet für nichts. Jeden Monat musste ich der Bundesbank berichten. Die BaFin verlangt ebenso Berichte, aber so bürokratisch umständlich, dass ich jedes Mal kotzen könnte.

Dazu kam inzwischen eine Testatspflicht, Geldwäscheberichte, ESG-Auflagen und noch viel mehr unnötige Papiere. Ich habe die letzten beiden Jahre bestimmt 100 Seiten Bullshit schreiben müssen, damit irgendwelche Auflagen erfüllt wurden.

Natürlich kann so ein Beitrag nicht ohne die eigentlichen Helden der Geschichte erzählt werden – die Startups, in die wir investieren durften. Daher möchte ich kurz ein paar Investments vorstellen und kommentieren.

Parlamind, gegründet von einer DFKI-Forscherin und einem Web-Unternehmer. Das war ein echt turbulentes Investment. Zum einen ist der CEO & Gründer einfach abgetaucht (unschön), zum anderen konnte ich jedoch so Dr. Tina Klüwer besser kennenlernen und gemeinsam haben wir die Firma gerettet und später erfolgreich verkauft. Hier ebenso noch ein Dank an Philipp Semmer, Torben Schreiter und Benjamin Rohé, die sehr aktiv geholfen haben für diesen Erfolg.

Wieso wichtig?

Zum einen sind Investments eine Achterbahnfahrt, wo mehr Krisen als Erfolge passieren. Zum anderen war Dr. Tina Klüwer schon damals ihrer Zeit positiv voraus, denn Parlamind war in 2016 bereits eine Generative AI-Firma, die automatisch E-Mails im Kundensupport beantworten konnte. Was ich hier lernte, ist, dass die richtige CEO in enger Abstimmung mit aktiven, smarten Investoren alles hinbekommt.

Micropsi Industries, ach wie habe ich dieses Investment geliebt. Leider mussten wir unsere Anteile verkaufen, als in der Series-B 30M USD flossen und damit viele Bestandsinvestoren rausgekauft wurden. Was Ronnie Vuine baute, war auch damals seiner Zeit voraus – nämlich eine AGI. Am Ende wurde es eine Software für lernende Roboter, doch das ist die übliche Fantasie vs. Realität des Marktes. Hier auch einen Gruß an Ulrik Deichsel und Joachim von Arnim als Wegbegleiter.

I2x ist ebenso eine eigene Geschichte wert. Michael Brehm hat hier einige Jahre konsequent durchgezogen und eine Firma aufgebaut, die viel Kapital einsammelte, hohe Umsätze erreichte (besonders im Vergleich zu anderen KI-Firmen) und vieles richtig machte.

AVA als Investment war eine Enttäuschung. Der CEO hat irgendwann die Firma, Mitarbeiter, Mitgründer und Kapitalgeber im Stich gelassen. Er war einfach weg, und wir merkten erst daraufhin, welches Chaos hinterlassen wurde. Dies ist mein einziges Investment, das offiziell insolvent ging. Ich bin mir auch noch unsicher, wie ich mit diesem Vertrauensmissbrauch umgehen soll.

Merantix AG ist eine unserer Beteiligungen, die wir langfristig halten. Merantix macht im KI-Markt verdammt vieles richtig gut. Ich erinnere mich noch an die ersten Tage, als Dr. Rasmus Rothe und Adrian Locher ganz frisch in Berlin waren. Heute betreibt Merantix den AI Campus (in mehr als einer Stadt), hat einen eigenen Venture Capital Fund, gründet serienmäßig KI-Firmen, hat eine Beratungsabteilung, eine M&A-Einheit und vieles mehr, was noch irgendwann öffentlich bekannt wird.

Ebenso vermisse ich Accelerated Dynamics, die bereits 2015 eine Schwarmintelligenz für autonome Drohnen & Roboter entwickelt hatten. Tolle Gründer, die einfach erneut ihrer Zeit voraus waren und es nicht schafften durchzuhalten. Heute würde man diese Technologie mit Kusshand nehmen, besonders in Hinblick auf die technologische Kriegsführung der Moderne.

Dies waren meine emotionalsten Beteiligungen unter Asgard, lehrreich an Erfahrungen und manche finanziell sehr erfolgreich.

Ich bin gespannt, wie es auch für mich nun weiter geht. Als Nächstes findet erstmal wieder die Rise of AI Konferenz statt und dazu haben wir dieses Jahr auch den Deutschen KI Monat initiiert.

Oftmals machen erst rückblickend die meisten Entscheidungen und Wegpunkte Sinn. Ich bin jedenfalls noch nicht am Ende meiner Reise. Mal sehen, was meine nächste Etappe ist.

Interessant?