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Von Anfang bis Ende – Personal in einem Startup

Aus meiner Sicht muss ein Startup mehrere Hürden zum Erfolg bewältigen. Die erste Herausforderung ist die Idee und das Team, dann die erste Umsetzung, anschließend ein valides Geschäftsmodell und eine Finanzierung. Wenn dies erreicht wurde, dann braucht es Personal. Oder das unschöne Wort Humankapital. Jedenfalls kommt jedes Gründungsteam irgendwann an den Punkt, an dem es Verstärkung braucht.

Meisten ist es auf der Tech-Seite. Hier werden HTML oder Backendentwickler bei vielen Webunternehmen benötigt. Doch kann es auch auf der Seite der Finanzen (Buchhaltung), Marketing (Texter) oder Operations (Büro, Administration) mangeln.

Was also, wenn man merkt, dass man weitere Hilfe braucht?

(Der Text ist etwas lang geworden. Ganz unten gibt es die Zusammenfassung.)

BRAUCHST DU MITARBEITER?

Zuerst solltest du dir überlegen, wofür du Personal brauchst. Bedenke, dass du hier eine sehr wichtige Entscheidung triffst. Die richtige Person in Team kann dein Startup einen Sprung nach vorne bringen. Die falsche Person kostet dich Zeit, Geld und vielleicht sogar die Firma.

Also lege vorher fest:

  • Für welche Aufgaben brauchst du Hilfe?
  • Was darf die Person kosten?
  • Wie ist die Kompensation in Gehalt und Firmenanteilen?
  • Welche Position wird sie besetzen?
  • An wen berichten, wer weißt sie ein, wer übernimmt die Verantwortung?

Wir haben uns als Gründer oft überlegt, wo wir Schwächen haben. Wenn wir intern etwas nicht können, dann brauchen wir Verstärkung (z. B. HTML Entwicklung oder Design). Oder wenn uns die Aufgabe zeitlich zu stark binden würde (Kundensupport und Hotline beantworten). Dann kam die Überlegung, was uns hier eine weitere Person wert ist. Jeder Mitarbeiter bekommt dann eine Mischung aus Gehalt (50% bis 70% vom Industriestandard) plus Firmenanteile (je nach Position).

WIE KOMMST DU AN BEWERBER?

Mitarbeiter findenAus meiner Sicht ist der schwierigste Teil, die richtigen Kandidaten zu finden. Dies kann man aktiv machen (man spricht Freunde oder Empfehlungen an) oder passiv (auf Bewerbungen warten). Wir haben einiges ausprobiert, manches mit Erfolg.

Für die Position eines Co-Founders oder CxO haben wir stark im Netzwerk gesucht. Bedeutet über Facebook gefragt und Freunde angeschrieben. So kamen binnen von weniger als 2 Stunden gut 15 bis 20 Kandidaten zustande. Also Personen, die uns empfohlen wurden. Manche von denen suchen gerade, doch die meisten sind bereits in Jobs. Ich war sehr überrascht, denn die Qualität der Leute war super. Es hat Wochen gedauert alle Leute zu treffen und zu sprechen. Da sich keiner von denen bei dir bewirbt, musst du diese also von dir überzeugen. Das ist spannend und doch nicht immer einfach. Diese Möglichkeit ist jedoch stark von eigenem Netzwerk abhängig und bringt nur etwas, wenn du Jemanden auf Führungsebene suchst.

Mit Recruitern (früher nannten wir sie Headhunter) habe ich auch gesprochen. Doch ohne Geld (1/3 des Gehaltes) kommt nicht viel. Und ich war nicht bereit dafür zu zahlen.

Wenn du Techpersonal suchst, dann war ich sehr zufrieden mit Freelancer.com. Hier findest du eigentlich alle Arten von Entwicklern für jeden möglichen Preis.

Gute Erfahrungen habe ich auch mit Ebay-Kleinanzeigen gemacht, wenn es um Teilzeitstellen ging. Also Studenten- oder 400-€-Jobs funktionieren sehr gut. Innerhalb von einem Tag kommen ca. 20 Bewerbungen rein, oft von ordentlicher Qualität.

Arbeitsamt und größere Jobportale haben nichts gebracht. Die Bewerber waren oft älter, hatten keine Ahnung von Startups und haben nicht in die Kultur gepasst. Wenn du also old-school Vertriebler suchst, dann bitte.

Überraschend gute Bewerbungen gab es über Elizabeth-Green. Ein junges Portal was ausländischen Mitbürgern hilft Jobs in Deutschland zu finden. Die Qualität und Anzahl der Bewerber ist ausgezeichnet. Aus aller Welt wollen erstklassig ausgebildete Leute in Berlin arbeiten. Jedoch ist dies eher eine Option für Teams, welche auf Englisch kommunizieren.

Auch kann ich Universitäten empfehlen. Hier ist es jedoch eine Kunst auf die Verteiler zu kommen. Ich habe es einmal geschafft eine Stelle über die ESCAEP und die HSG auszuschreiben und schon gab es spitzen Bewerbungen. Jedoch kommt man schwer an die Verteiler ran, da braucht es Verbindungen zu den jeweiligen Verantwortlichen.

Als letztes kann ich natürlich Startup-Portale empfehlen. Weniger Gründerszene.de oder Deutsche-Startups.de (zu teuer), dafür z.B. Berlin Startup Jobs. Dort suchen viele Leute und es sind auch die richtigen für deine Startup-Kultur.

Wie du siehst, gibt es also 2 Empfehlungen für dich.

  1. Der Kanal ist abhängig von der Stelle.
  2. Suche dort, wo deine Kandidaten sind.

HAST DU DEN IDEALEN KANDIDATEN GEFUNDEN?

Nehmen wir an, du hast eine offene Stelle und diese im richtigen Kanal ausgeschrieben. Jetzt gibt es eine Menge Bewerber. Und jetzt?

Nun, ich empfehle dir einen Prozess (wie für alles in deiner Firma). Wir haben alle Bewerbungen über eine Emailadresse gesammelt. Jede Bewerbung habe ich in Excel notiert (Eingang, Stelle, Rahmendaten, Kommentare, Status) und die Unterlagen abgelegt (damit sie später korrekt gelöscht werden können). Dann habe ich recht schnell entschieden, ob ich eine Person einlade. Manchmal waren zwischen Empfang der Bewerbung und der Einladung zum Interview weniger als 5 Minuten. So eine Schnelligkeit kommt bei Bewerbern immer sehr gut an und kann ich daher empfehlen.

Jedenfalls habe ich meistens das erste Gespräch geführt (Skype oder vor Ort). Anschließend gab es eine Empfehlung an meinen Geschäftspartner. Überzeugte der Bewerber, gab es also ein zweites Interview, erneut mit mir und meinem Partner, sowie anderen Mitarbeitern.

Worauf nun im Interview achten? Ich bin von der Blink-Theorie überzeugt. In vielen Fällen weißt du nach Sekunden, ob diese Person ins Team passt oder nicht. Bisher lag ich immer richtig. Dies ist auch etwas was ich gelernt habe. Achte auf dein Bauchgefühl. Wenn der Kandidat (bei uns sind es zu 90% Frauen gewesen – liegt am Thema) formal gut wirkt, doch dein Bauch dagegen ist, dann höre auf deinen Bauch. Wir haben mehrmals Leute eingestellt, weil der CV super war und die Antworten im Interview intelligent. Doch mein Bauchgefühl sagte mir, dass es nicht passt und am Ende war es auch so. Es gibt einfach vieles, was du nicht testen kannst durch Fragen. Wie harmoniert die Person mit dem Team? Wie begeistert ist der Kandidat von der Idee? Wird Herzblut für die Mission geopfert? Wie wird die Kommunikation und Zusammenarbeit klappen?

Ich möchte keinen Leitfaden für Interviews geben. Andere können das besser. Ich empfehle dir nur, achte auf das Gefühl in dir. Deswegen hier meine Empfehlungen

  1. Motivation ist wichtiger als Qualifikation.
  2. Motivation ist wichtiger als Erfahrung.

Genau, für mich ist Motivation alles. Teammitglied die mit Leib und Seele für dein Startup brennen, die sind viel wertvoller als top ausgebildete BWL Studenten von renommierten Universitäten, die eher opportunistisch getrieben sind. Nur mit der richtigen Motivation, entstehen neue Ideen, wird lange gearbeitet und auf Gehalt verzichtet.

Zwar gibt es Firmen hier in Berlin, die es mit der Motivation anderes sehen, denn deren Köder ist das Geld – was ich nicht ausgeben kann. Doch für alle anderen, die wenig Kapital haben, ihr müsst eure Kandidaten anders bei Laune halten.

FORMALE INTEGRATION

Nun hast du einen Kandidaten gefunden. Und jetzt? Du ahnst nicht, wie viele Leute erst ja sagen und dann nein, wenn sie von deinem Gehaltsangebot erfahren.

Aus meiner Sicht gibt es 2 Dinge: Geld und Art der Anstellung. Geld ist eine Frage deines Budgets. Zahlst du 1.000 € oder 3.000 € im Monat? Wovon machst du dies abhängig? Der Erfahrung, Motivation oder Qualifikation?

Jedenfalls kombinieren wir immer Gehalt mit Firmenanteile bei einer Festanstellung. Gehalt ist monatlich, die Anteile sind x %, 6 Monate Cliff, 4 Jahres Vesting und Option aus dem ESOP. Dies ist Standard und sollte in jedem Startup genutzt werden. Gebe Mitarbeitern nie direkte Anteile am Kapital (außer sie halten >15%), das gibt nur Ärger und kostet dich/euch Geld. Wer mehr wissen will zu diesem Thema, mir einfach schreiben.

Die Art der Einstellung ist auch variabel. Wir haben Werkstudenten, 400 €-Kräfte, Freelancer und Vollzeitmitarbeiter. Ich bin großer Freund von Freelancern für eine kurze Weile und mache dann gerne ein Angebot für eine Festanstellung. Hier muss man natürlich aufpassen, dass es alles legal bleibt (Risiko Scheinselbstständigkeit usw.). Einige Freunde haben mir empfohlen, nie unbefristete Verträge rauszugeben. Dies kann ich nicht bestätigen, da wir dafür zu jung sind um die Konsequenzen zu spüren. Time will show.

MAXIMAL 4 AUFGABEN FÜR DEN ANFANG

Lege gleich am Anfang maximal 4 Aufgaben fest. Sage deinem neuen Teammitglied, was du erwartest, wo die Ziele für das Quartal liegen und auch mittel- sowie langfristig. Gib einen klarer Aufgabenbereich vor und bombardiere den Mitarbeiter nicht mit Kleinzeug. Die Leute trauen sich anfangs nicht Nein zu sagen und das geht schnell ins Chaos über. Einige dich mit deinem Geschäftspartner darauf, wer von euch der zuständige Ansprechpartner für den neuen Mitarbeiter ist.

Anschließend setze Dailys auf. In den ersten Wochen finde ich es gut, wenn mir der Mitarbeiter jeden Abend ein Daily schickt. Dort steht drin, was heute alles erreicht wurde und was für morgen geplant ist. Es ist hilfreich um ein Gefühl zu bekommen, welche Aufgaben viel Zeit fressen ohne den Mitarbeiter ständig nach einem Status zu fragen. Auch hilft es dem Mitarbeiter sich zu strukturieren und Prioritäten zu setzten.

Ebenso nützlich sind JFs (Jour Fixe). Das ist ein fester (wöchentlicher) Termin, zu dem sich der Mitarbeiter mit seinem Chef trifft. Hier werden fachliche Dinge besprochen (Status der Aufgaben), Rückfragen gestellt, Entscheidungen eingefordert und auch persönliche Anliegen besprochen. Es ist wie eine Sprechstunde, die manchen Mitarbeiter sehr gut gefällt. Einmal die Woche in Ruhe über Probleme, Sorgen und Ängste zu sprechen kann spätere Krisen vorbeugen.

Abschließend rate ich auch zu 360° Feedbacks. Dies habe ich damals von Team Europe gelernt, wo jeder (vom Praktikanten bis zum Partner) regelmäßig bewertet wurde. Anfangs hat man Panik davor, doch irgendwann weiß man es zu schätzen. Man bekommt ein anonymes und umfassendes Feedback seiner Kollegen, Chefs und Mitarbeiter. Dieses Feedback holt der Vorgesetzte ein und er leitet auch das Gespräch. Wir machen so ein Feedback alle 3 Monate für neue Mitarbeiter im ersten Jahr. Das wird alles schön protokolliert und die Verbesserungen können dann über den Zeitraum verglichen werden.

NICHT ALLES ENDET SCHÖN

Mir wurde empfohlen nur über die guten Dinge von Personalführung zu schreiben. Über die andere Seite der Medaille (Kündigungen, Entlassungen, Verlust) will keiner schreiben. Es ist hier in Deutschland auch ein Minenfeld und Tabuthema. So viele Startups müssen regelmäßig Leute entlassen (Fab und Groupon sind prominete Beispiele). Kaum einer redet darüber, es wird still akzeptiert. Dabei halte ich dies für die schwersten Momente. Mitarbeiter zu verlieren kann das Startup in eine kritische Situation zu bringen. Die Risiken sind enorm (Vertrauensverlust, kulturelle Probleme, Wissensverlust, Geldverlust, Streit, negative PR und auch Verlust an Freunden).

Nun enden in Deutschland 50% aller Ehe nicht am Totenbett. Ähnlich ist es mit Mitarbeitern. Einige gehen. Sie ziehen um, studieren oder haben eine neue Stelle. Da kann man manchmal wenig machen.

Wenn ein Mitarbeiter gehen möchte (z.B. Wechsel des Studienortes oder sucht andere Herausforderungen), dann bemühen wir uns immer dem Kollegen entgegen zu kommen. Eine Option dafür ist ein Aufhebungsvertrag, damit der Kollege maximale Freiheit hat. Auch geben wir gerne Empfehlungen und Referenzen mit auf den Weg. Manchmal gibt es auch Situationen, wo beide Parteien merken, dass es nicht funktioniert. Hier legen wir viel Wert darauf, dass der Mitarbeiter anschließend eine neue Stelle findet.

Doch was ist mit den negativen Fällen? Ein Mitarbeiter belügt den Chef (meldet sich krank und geht dafür feiern), macht grobe Fehler (die viel Geld kosten) oder ist unbeliebt bei Kollegen? Manchmal muss man Entscheidungen treffen, die das Wohl der Firma und Teams über persönliche Interessen stellen. Dazu gehört es auch, dass Mitarbeiter wieder gehen müssen. Und was ist, wenn diese nicht gehen wollen? Ich habe es erlebt, dass Mitarbeiter sich einfach krank melden immer wieder, nur um sich um ihre Pflichten zu drücken. Tja, selbst wenn du deine Mitarbeiter dabei erwischt, hast du in Deutschland kaum Rechte als Arbeitgeber. Was Arbeitsrecht angeht, da leben wir hier im absoluten Sozialstaat. Mitarbeiter können eine Menge Mist bauen und tragen selten die Konsequenzen dafür. Die meisten Angestellten sind fantastisch, aber es gibt immer wieder schwarze Schafe. Ach, ich könnte viele Geschichten erzählen. Von Leuten, die Geld veruntreuten und danach für die Konkurrenz arbeiten, oder dreisten Dieben, Spionen und Drogenschmugglern. Doch bevor ich mich hier um Kopf und Kragen schreibe, gibt es Interna nur bei einem Kaffee.

ZU GUTER LETZT

Abschließend ein paar nützliche Hinweise und Anekdoten.

  • Google deine Bewerber. Du wirst vielleicht interessantes finden. Wir hatten das Glück und uns saß ein Playboy Playmate von 2003 gegenüber.
  • Rechne damit, dass einige Bewerber nie zum Termin erscheinen.
  • Gebe den Kandidaten vorher Aufgaben. Zum einem haben diese so die Chance sich vorzubereiten. Zum anderem bekommst du nützliches Feedback. Z. B. Analysen aus anderen Ländern oder Verbesserungen für deine Webseite.
  • Gib Leuten eine Chance, auch mit kaputten Lebensläufen. Diese Menschen werden dir lange dankbar sein und bringen sich viel mehr ein.
  • Warte lieber länger auf den richtigen Bewerber. Wenn anfangs niemand dabei ist, dann nimm keinen. Die falsche Person einzustellen kostet dich über 15.000 € an Personalkosten, Opportunität und Zeitverlust.
  • Nimm die Verrückten, die Außenseiter und Unnormalen (wie man das auch definiert). Sie werden dich überraschen, sind kreativer und passen vermutlich besser ins Team als man anfangs denkt. Denn sind wir Startupler nicht alle etwas durchgeknallt?
Interessant?