In dem steigenden Chaos dieser Welt ist ein Ort der Natur und Ruhe genau das Richtige. Daher bin ich sehr glücklich, uns vor 2 Jahren ein Waldgrundstück gekauft zu haben. Was genau dort passiert ist und wie ich eine Oase der Permakultur erschaffen habe, dafür ist dieser Artikel gedacht.
DAS ERSTE JAHR – BEOBACHTEN UND VERSTEHEN
Wie kam es eigentlich dazu, dass ich mir einen Wald im Süden Berlins gekauft habe?
Wie du als Leser/-in meines Blogs weißt, bin ich bis 2020 viel unterwegs gewesen, mit einem Rekord von über 900 Meetings pro Jahr. Das war weder gesund für meinen Körper und Geist noch förderlich für meine menschlichen Beziehungen.
Als ich im Frühjahr 2020 dann im ersten Lockdown saß, brachte mich ein Unternehmerfreund auf die Idee, mir ein Grundstück mit Hütte zu kaufen. Und irgendwie war es auch schon immer mein unbewusster Wunsch, einen Wald zu besitzen.
Jedenfalls habe ich Google angeworfen, sah die erste Anzeige, machte Terror beim Makler und hatte nach 3 Monaten die Schlüssel in der Hand. Natürlich Cash bezahlt, denn Wald ist deutlich günstiger als Baugrundstücke.
BESTANDSAUFNAHME
Womit hatte ich es nun eigentlich zu tun? Mein Vorbesitzer hat das Grundstück zwar genutzt, aber hatte nie die Zeit und Energie, es richtig zu pflegen. Ich hatte also nun mehrere Hektar Wald erworben, die seit 70 Jahren vernachlässigt worden waren.
Daher war meine erste Aufgabe, herauszufinden, was ich „behalten“ wollte und was „weg“ konnte. Keine einfache Aufgabe, wenn man – wie ich – kein Vorwissen hat und vor dem ungezügelten Naturchaos steht.
LICHT UND PLATZ SCHAFFEN
Als (Sternzeichen) Jungfrau habe ich erst mal mit Aufräumen angefangen. Ich habe dabei Unmengen an Schutt, Ziegeln, Steinen, Totholz und Abfällen ausgegraben, sortiert und später (sehr deutsch) bei diversen Wertstoffhöfen entsorgt. Dabei ist ein 100 m langer Naturwall entstanden, welcher perfekt in das Konzept der Permakultur passt.
Als Nächstes habe ich für Licht gesorgt. Der Wald war dermaßen unstrukturiert zugewuchert, dass sich kaum ein Baum ordentlich entfalten konnte. Ohne großartig Bäume zu fällen, habe ich mit meiner Astschere also die Dunkelheit gelichtet und Raum geschaffen für die bestehenden und neuen Pflanzen.
BODEN AUFWERTEN
Brandenburger Sandboden ist keine Freude. Einmal den Spaten in die Erde und du hast nur noch strandtauglichen Sand auf der Schippe. Dort wächst nichts an, denn Wasser speichert der Sand nicht und Nährstoffe gibt es auch keine. Dies war eine unbequeme Erkenntnis, denn ohne Bodenaufwertung konnte ich nichts Neues pflanzen.
Also schippte ich 80 Tonne Erde (!!!) in den kommenden Wochen. Die alleine brauchte ich, um ein riesiges Loch zu füllen. In den 1970ern wollte der erste Eigentümer wohl einen Pool bauen. Am Ende war es ein Krater mitten im Wald.
OHNE WASSER STIRBT DER WALD
Relativ schnell begriff ich, dass der Wald stirbt. Das kann ich zwar nicht aufhalten, denn das Klima wird wärmer und Kiefernwälder sind verdammt. Doch ich kann den Wandel verlangsamen – mit Wasser. Viel Wasser. Dank eines eigenen Brunnens war das Wasser kein Problem, aber die Verteilung und Zeit. Daher fing ich recht früh damit an, mir ein Bewässerungssystem zu bauen, mithilfe einer Mischung bestehend aus Sprengern und Perlschläuchen.
Damit hat man auch alle 3 wesentlichen Elemente zusammen, die ein Wald braucht: Licht, Boden und Wasser.
DIE ERSTEN 12 MONATE
Leicht geschrieben, doch real war das alles sehr viel Arbeit. Dank einer globalen Pandemie hatte ich auch die Zeit dafür. Statt auf Demos zu gehen, habe ich meine Lebenskraft diesem Wald gewidmet.
Ich hatte nun die Verantwortung für rund 300 Kiefern, Eichen und einige sehr schöne Rhododendren. Dazu kommt eine Vielzahl von Bewohnern wie einem Fuchs, Mäusen, Regenwürmern, Nattern, Amseln, Eichelhähern, Spechten, Uhus, Insekten und Spinnen. Jedes Leben wird bei uns geachtet, denn es erfüllt seine Aufgabe im Ökosystem.
NACH 24 MONATEN
Ich springe direkt mal ein Jahr weiter, denn die ersten 12 Monate habe ich fast nur aufgeräumt und versucht, das zu retten, was noch lebte.
Im zweiten Jahr konnten wir (meine Frau hilft sehr fleißig mit) erstmals anfangen, strategisch zu pflanzen.
Für das Frühjahr habe ich 2000+ Zwiebeln in die Erde gebracht. Vorwiegend wilde Formen von Krokussen und Tulpen, die sich über die Jahre dann im Wald ausbreiten können.
Für den Artenschutz und die Privatsphäre wollte ich dann auch Hecken anlegen. Derzeit teste ich mit Holunder, Hainbuchen, Sanddorn und Hibiskus diverse Sträucherarten, wie diese sich entwickeln.
Für den eigenen Genuss haben wir natürlich auch einiges an Obst gepflanzt: Heidelbeeren, Brombeeren, Äpfel, Birnen und Johannisbeeren.
Diesen Sommer bauten wir das erste Gewächshaus, welches nun Salat, Himbeeren, Tomaten und Gurken für uns beschützt.
Diverse Kräuter sind in Vorbereitung, wie Baldrian, Rauke, Majoran und Oregano. Dazu kommen Disteln, Thymian, Eisenkraut, Johanniskraut, Wermut und Akeleien.
WAS WÄCHST AN?
Wir sind noch immer in der Testphase, was in unserem Waldgarten eigentlich gut wachsen kann. Auf der einen Seite wollen wir das bestehende Ökosystem nicht zu sehr beeinflussen, doch auf der anderen Seite müssen wir den Wald an die steigenden Temperaturen anpassen.
Die Sommer werden intensiver, die Winter milder und Wasser wird noch mehr zum Mangel werden. Daher experimentieren wir viel mit Moosen, Kletterhortensien, wilden Rosen, Nelkenwurz und Efeu.
WAS IST NUN PERMAKULTUR?
Weißt du eigentlich, was Permakultur ist? Ich wusste es bis Anfang 2020 noch nicht, doch das Konzept war für mich sofort stimmig.
Kurz gesagt ist es die Idee, die Natur sich selbst zu überlassen, sie als Mensch zu unterstützen und ein regeneratives, sich selbst erhaltendes Ökosystem zu erschaffen.
Daher sind auch 90 % des Grundstückes „Wildnis“. Es gibt keine falschen Beikräuter (früher auch „Unkraut“ genannt) oder optisch hässlich wachsende Bäume. Alles wird so gelassen, wie die Natur es braucht. Ich bin lediglich unterstützend dabei und helfe mit Licht, Dünger und Wasser. Der Mensch ist nicht das Zentrum der Natur, sondern ein Teil davon. Der Wald kann sehr gut ohne uns Menschen – vermutlich sogar besser ohne die Menschheit.
Ich brauche daher auch keine Insektenhotels oder Vogelhäuser – mein Wald ist ein Paradies für die Natur. Jeden Tag höre ich Hunderte Vögel und sehe Dutzende an den Wasserstellen, die ich ihnen erschaffen habe. Alle Tiere und Lebewesen sind willkommen – außer in der Hütte.
ICH MUSS RICHTIG ARBEITEN
Ohne Schweiß gibt es im Wald keinen Preis. Ob tote Bäume fällen, Erde schippen oder Mäuse jagen (mit Lebendfallen) – Eigentum verpflichtet. Es gibt immer was zu tun und meistens ist es körperliche Arbeit.
Mir tut es gut. Ich wiege seitdem 16 kg weniger, bin sehr fit, habe exzellente Blutwerte und liebe es. Wer braucht ein Fitnessstudio, wenn man morgens einfach mal 100-kg-Stämme durch den Wald tragen kann?
Die körperliche Tätigkeit tut mir gut. Sie befreit den Geist und lenkt auch sehr angenehm von der Hysterie da draußen ab.
ENTSPANNUNG GIBT ES AUCH
Natürlich genießen wir den Wald in vollen Zügen. Morgens, wenn ein Konzert der Vögel uns weckt. Wenn wir auf der Terrasse sitzen und den Vögeln beim Baden oder den Schmetterlingen auf der Blütenwiese zusehen. Ebenso feiere ich jede Blüte, jeden Trieb und jedes neue Blatt.
Endlich nehme ich mir mal Zeit für die Schönheiten der Natur, verweile im Moment und bin einfach nur bewusst.
EINFACHES LEBEN
Grundsätzlich ist das Leben im Wald einfach. Es gibt keinen Fernseher, spärliches Internet, selten Nachbarn und wenig Menschenlärm. Wenn ich mit der Familie im Wald bin, verbrauchen wir kaum etwas. Wir kaufen auch selten etwas ein (außer Pflanzen und Geräte).
Mein Konsumverhalten ist komplett anders als in der Stadt. Ich empfinde es als deutlich bewusster, natürlicher und nachhaltiger. Allein der Umstand, dass es keine Müllabfuhr im Wald gibt, lässt mich sehr bewusst mit jeder Art von Abfällen umgehen.
Es ist erstaunlich, dass wir für ein angenehmes Leben wenig brauchen. Im Wald braucht es keine Ablenkung durch Netflix oder Konsolen. Man geht nicht mehr wild feiern, fliegt nicht mehr regelmäßig in den Urlaub oder fährt mit dem Auto rum. Stattdessen genießt man das, was man hat, ohne Sehnsucht nach mehr.
EINEN WALD FÜR JEDEN
Ich bin überzeugt, dass jeder Mensch etwas Garten und Wald haben sollte. Ich glaube, dass wir dann weniger Aggressionen, Gier und Verderben auf dieser Welt hätten.
Die Natur lehrt uns Demut. Sie lehrt uns innezuhalten und zu beobachten. Die Menschheit muss kein Virus sein, sondern kann in einer Symbiose mit dieser Erde leben.