in Gründung

Gefangen im Leben

Ich stelle fest, dass ich seit 3 Monaten keinen Artikel mehr geschrieben habe. Ich habe dabei irgendwie ein schlechtes Gewissen gegenüber meinen Lesern. Zum einen habe ich in letzter Zeit vermehrt auf Englisch geschrieben und LinkedIn zur Veröffentlichung genutzt. Zum anderen fehlte mir jedoch auch die Muße für tiefgreifende fachliche Artikel. Doch sollte dieser Blog nicht in erster Linie mir selbst dienen? Als Ort für das Reflektieren und Teilen von Wissen sowie Erfahrungen? Daher heute einige Worte von mir, welche mein Innenleben spiegeln und daher mehr Gedanken statt Fakten sind.

Derzeit habe ich mehrere Themen, welche in der Summe einiges an Gewicht auf meinen Schultern und auch in der Brust bedeuten. Jedes Projekt an sich macht Spaß, doch die Summe ist manchmal erdrückend.

1 – Der erste europäische Token Venture Capital Fonds

Letztes Jahr beschloss ich, mit Asgard den Schritt zu wagen, den ersten weltweiten regulierten Token basierten Venture Capital Fonds aufzulegen. Das ist ein wahnsinniges und spannendes Unterfangen. Es hat immenses Potenzial für die gesamte Branche und zugleich ist es nicht einfach. Es zieht sich unangenehm in die Länge und widerspricht meinem Drang, Dinge schnell umzusetzen.

Es läuft. Wir bekommen super Feedback von Markteilnehmern, die uns beobachten. Wir sind auf dem richtigen Weg. Doch dieser Weg ist eher ein Marathon als ein Sprint. Ich kann nicht behaupten, dass alle euphorisch sind wie wir. Ein Über-Nacht-Erfolg basiert nun einmal auf jahrelanger Arbeit. Wir kämpfen uns Stück für Stück zum Ziel. Bisher konnten wir alle Hürden nehmen und ich bin zuversichtlich, dass wir in den kommenden Monaten die Zeichnungsphase beginnen. Doch es gibt immer wieder Rückschläge.

Mal dauert es Wochen statt Tage, um ein Whitepaper zu schreiben. Dann werden Mitarbeiter krank, die man nicht ersetzen kann. Die ICO-Manie treibt Preise und Aufmerksamkeit von Dienstleistern nach oben. Quick & Dirty funktioniert für einen Token Sale nicht. Es dauert alles ewig, seitens der Anwälte, der Entwickler, der Designer, Autoren und auch des Teams.

Wir bereiten etwas Großartiges vor. Einen komplett digitalen Zeichnungsprozess. Einen Fonds, der Tokens statt KG-Anteile rausgibt. Die Handelbarkeit von Venture-Capital-Anteilen und die daraus resultierende Flexibilität sowie Transparenz. Doch dies bedeutet auch, dass gerade Kapitalgeber uns erst einmal beobachten. Es gibt kaum Meinungen und Weisungen im Markt. Wir operieren frei und zugleich gibt es wenig Feedback, ob unser Produkt angenommen wird (Stichwort: „Produkt-Market-Fit“). Auch die Höhe des Fonds ist ungewiss. Gut möglich, dass Tausende von kleineren Kapitalgebern zeichnen wollen, gerade aus der Crypto-Welt. Doch ich habe auch Angst vor dem Moment, wenn keiner kommt. Wenn wir so viel Arbeit in etwas stecken, was zu früh am Markt ist. Ja, es ist Unsicherheit und die belastet mich.

2 – Die erste weltweite Künstliche-Intelligenz-Industrie-Übersicht

Nachdem ich eine deutsche sowie europäische Version der Künstlichen-Intelligenz-Industrie veröffentlicht habe, sitze ich seit Monaten an einer internationalen Version. Oh man, was für eine Arbeit. 7.500 Firmen identifizieren, bewerten, sortieren, analysieren, bis man weiß, welche künstliche Intelligenzen entwickeln und welche wiederum nur den KI-Hype als Marketinginstrument verwenden.

Als Partner habe ich Roland Berger gewählt. Dadurch wird das ganze Projekt politisch und gewinnt an Gewicht. Zielgruppe sind plötzlich nicht mehr Unternehmer, sondern auch Politiker. Man muss viel feinfühliger schreiben, mehr wissenschaftlich argumentieren und der Abstimmungsaufwand nimmt zu.

An sich ist das Projekt übersichtlich, doch in der Summe ein nicht unbedeutender Teil an Aufmerksamkeit und Zeit.

3 – Die vierte Rise-of-AI-Konferenz

Rise of AI ist jedes Mal gewachsen. Von 20 auf 70, von 150 auf 300 und diesmal auf über 500 Teilnehmer. Dabei ist das Team gleich geblieben (meine Frau und ich). Mit der gleichen Zeit und Energie organisieren wir dieses Jahr eine fantastische Fachkonferenz mit 3 Bühnen, 50 Speakern, einer Messe und vielem mehr. Wir achten auf Details wie leckeres Essen, inspirierende Vorträge, einen roten Faden im Programm bis hin zu Betten zum Relaxen für die Teilnehmer.

Es ist kein einfaches Unterfangen, eine Konferenz zu organisieren. Speaker zu gewinnen, fällt mir nicht schwer, doch dann sagen welche ab, Sponsoren zieren sich, es gibt Konkurrenz in Amsterdam und London, Messestände erhöhen die Komplexität und Tickets verkaufen sich auch nicht von alleine.

Übrigens, meinen treuen Lesern kann ich einen 50-Prozent-Rabatt auf die Ticketpreise anbieten. Einfach diesem Link folgen.

Ja, es wird eine wirklich tolle Konferenz. Ich meine, wir stecken da so viel Liebe rein, das Resultat wird die Teilnehmer begeistern. Doch zugleich ist die Organisation super zeitintensiv, kleinteilig und aufwendig. Von der Auswahl der Möbel, Technikanbieter, des Videoteams bis zu Hotels für Speaker, Abstimmung der Bühnen, Gewinnung von Moderatoren, Verkauf von Tickets und Vertriebsgesprächen mit Partnern.

4 – Über künstliche Intelligenz aufklären

Obendrauf gebe ich weiterhin Vorträge über künstliche Intelligenz. Zum einen macht es mir Spaß. Ich stehe gerne auf der Bühne und man sagt mir ein Talent dafür nach. Zum anderen habe ich die Mission, künstliche Intelligenz zu erklären, Ängste zu nehmen und den Standort Europe auf die größte Umwälzung unserer kurzen Menschheitsgeschichte vorzubereiten.

Vorträge kosten auch Zeit und Energie. Ich muss dafür viel reisen und habe logischerweise weniger Zeit für Rise of AI, Asgard und mein privates Leben.

Hinzukommen unzählige Panels, Studien, Zeitungsinterviews, Expertengespräche (z. B. für die Europäische Kommission) und Einladungen.

Meine Frau sagte einmal so schön zu mir, dass ich lernen müsse „Nein“ zu sagen. Ich bin an dem Punkt angekommen, dass mehr Leute etwas von mir wollen, als ich zeitlich schaffen kann. Es fällt mir super schwer, jemandem (ob Student, Investor, Aktivist, Journalist) zu schreiben, dass ich es zeitlich nicht schaffe. Mir fällt es super schwer zu entscheiden, welches Gespräch mich persönlich und meine Mission nach vorne bringt und welche Anfragen ich ablehnen muss.

Für jemanden wie mich, der alles möchte und alles gibt, ist es unmöglich, alle zufriedenzustellen.

5 – Die Ehe ist eine komplexe Fusion zweier Leben

Seit 6 Jahren in einer festen Beziehung und davon 1,5 Jahre verheiratet – und es wird nie einfacher.

Meine Frau ist eine enorm große Hilfe. Sie unterstützt mich bei allen meinen visionären Ideen und Projekten. Doch das kostet Kraft und Zeit. Energie, die ihr selber fehlt und Zeit, die wir beide nicht zusammen haben.

Mit einem Unternehmer verheiratet zu sein, bedeutet auch viel Unsicherheit. Auch wenn Kapital nicht der Mangel ist, doch sind die Opportunitätskosten enorm. Investiert man das Geld aus einem Firmenverkauf in einen Urlaub und in ein Pferd, oder steckt man es lieber direkt in einen ICO, in Start-ups oder stellt einen neuen Mitarbeiter ein? Was ist die ideale Mischung für Investitionen in sich selber, die Beziehung oder die Zukunft?

Ich arbeite viel. Sicherlich mehr als der Durchschnitt. Daher sehe ich meine Frau wenig und selbst wenn, bin ich nicht wirklich da. Mir fällt es schwer, mich auf ihre Sorgen und Probleme zu fokussieren. Ich denke mir, dass diese doch wirtschaftlich „einfacher“ sind. Doch das ist unfair von mir. Ihre Sorgen sind für sie genauso wichtig wie meine Firmen für mich.

Auch meine Freunde und Familie haben wenig von mir. Ich erwische mich immer wieder, dass ich wirsch und unfreundlich zu meiner Mama bin. Sie ist eine tolle Frau und doch bringe ich immer seltener die Energie dafür auf, dass ich ihr zuhöre und ihr Zeit widme.

Das Leben ist endlich und jeder Tag zählt. Allokiere ich meine Zeit richtig? Bereue ich es irgendwann oder blicke ich mit Freude und Stolz zurück?

6 – Kinder oder keine Kinder?

Dazu kommt das Thema „Kinder“. Möchte ich Kinder haben? Natürlich. Möchte meine Frau welche haben? Vermutlich. Ist diese Entscheidung einfach? Absolut nicht.

Für meine Frau bedeuten Kinder, dass sie Freiheiten aufgibt. Sie kann ihre Firmen nicht mehr so aktiv führen wie heute. Sie hat Angst vor den körperlichen Konsequenzen einer Geburt. Sie fürchtet sich vor einer finanziellen Abhängigkeit von mir. Ich sehe das und kann ihr zugleich nicht ausreichend das Gefühl von Sicherheit geben. Ich schaffe es gerade nicht und würde am liebsten das Kinderthema für 10 Jahre „auf Eis legen“. Doch die Biologie benachteiligt uns. Unsere Körper sind dafür gemacht, dass wir uns jung multiplizieren. Die Natur denkt nicht an Selbstfindung, Selbstverwirklichung, Karriere und finanzielle Freiheit. Die Biologie agiert gegen uns und nimmt keine Rücksicht auf Lebensplanung in den 30ern.

Wer Kinder haben möchte und in seinen 30ern ist, der steht unter Druck. Ich weiß, dass das Zeitfenster sich schließt. Es ist eine weitere Belastung im Leben.

0 – Pause einlegen?

Manchmal würde ich gerne eine Pause einlegen. Für ein paar Monate auf eine Insel ziehen. Das Handy daheim lassen. Keine Meetings, Calls und Konferenzen (letztes Jahr waren es über 600). Einfach mal „Stopp“ drücken.

Ich stelle mir die Frage, ob dies der korrekte Weg ist. OK, es gibt kein Optimum für das Leben. Aber es gibt sicherlich falsche Wege, die man einschlägt.

Manchmal spiele ich mit dem Gedanken, was wäre wenn …? Was wäre, wenn ich morgen einen so großen Exit hätte, dass ich einfach nur noch reisen könnte? Und dann wird mir klar, dass ich es bereits heute tun könnte. Doch der eigene Ehrgeiz, die Verantwortung für Mitarbeiter, die Mission, Freunde, Beziehungen – sie halten mich im Hier und Jetzt.

Das Leben ist nicht einfach. Man fühlt sich nie erwachsen. Je älter man wird, desto größer werden die Auswirkungen der eigenen Handlungen. Das kann Großes bedeuten oder ein Irrtum sein.

Wie fühlst du dich und wie hast du deine 30er bisher erlebt?

Interessant?