in Buch, Zukunft

Das Zeitalter der denkenden Maschinen – Kapitel 1

Wir leben in der großartigsten Zeit der Menschheitsgeschichte.

Noch vor 200 Jahren war das Leben für die meisten Deutschen ein Kampf anstatt Genuss.

Ohne Antibiotika und Krankenhäuser verlief jede Infektion tödlich. 90 % der Menschen arbeiteten als Bauern auf dem Feld. Es gab nur eine kleine Schicht Bürger, die in den Städten in relativem Wohlstand lebte. Meinungsfreiheit, Menschen- und Bürgerrechte lagen in weiter Ferne.

Wahlrecht und Mitbestimmung waren einer Elite, bestehend aus Adel, Klerus, Militär und reichen Bürgern, vorbehalten. Die Interessen der breiten Bevölkerung wurden quasi nicht beachtet.

Es gab keine Kranken- und Rentenversicherung, ebenso wenig freie Bildung für alle. Das Leben war einfacher, langsamer und weniger komplex. Zeitgleich war Frieden nur die Pause vor dem nächsten Krieg. Die durchschnittliche Lebenserwartung lag unter 50 Jahren.

In dieser Zeit leben wir nicht mehr. Heute in Deutschland geborene Kinder haben eine Lebenserwartung von 100 Jahren. Weniger als 1,2 % der Deutschen arbeiten in der Landwirtschaft. Wir haben einen fast unbegrenzten Zugang zu Wissen. Globale Kommunikation und Mobilität sind für jeden erschwinglich.

Existentielle Armut gibt es in Deutschland nicht mehr. Niemand muss mehr verhungern oder täglich einen neuen Krieg befürchten. Heute sterben mehr Menschen durch Eigenverschulden als durch Fremdeinwirkung.

Das Zeitalter der denkenden Maschinen - Fabian Westerheide - Zukunft - Bootstrapping.me

Maschinen nehmen uns Arbeit ab

Die erste Beschleunigung für uns war die industrielle Revolution. Wir haben angefangen, Maschinen körperlich für uns arbeiten zu lassen. Heute ernten Maschinen unsere Felder ab, setzen unsere Autos zusammen, stanzen Handys, gießen Flaschen und transportieren Nahrung.

Die Welt ist bereits voll von Maschinen wie Autos, Lkws, Zügen, Fließbandrobotern, Gabelstablern, Kränen, Radladern, Baggern und Tunnelbohrern.

Maschinen haben nicht nur unsere physische Arbeit ersetzt, sondern auch unsere Menschenkraft exponentiell gesteigert. Wir bauen Hochhäuser in den Himmel, haben Haushalte voller Plastik, genießen Speisen aus der ganzen Welt, überall ist Elektronik und wir haben einen Nahrungsüberschuss.

Die Folge ist, dass heute immer mehr Menschen Lohn und Brot mit dem Kopf verdienen. Wir sitzen an Schreibtischen, bedienen Maschinen, die wir kontrollieren, geben ihnen Daten, lesen Informationen aus und treffen Entscheidungen.

Bereits heute sind wir primär Kontrolleure und gehen nur noch  selten einer Tätigkeit nach, die uns aufgrund von körperlicher Anstrengung ins Schwitzen bringt.

Maschinen denken für uns

Die zweite Beschleunigung setzte ein, als wir den Maschinen das Denken beibrachten.

Über die folgenden Jahrzehnte übernahmen Maschinen immer mehr Aufgaben von uns. Sie fingen an, andere Maschinen für uns zu steuern. Heute fliegen sie unsere Flugzeuge, geben uns Bargeld, kontrollieren unsere Parktickets, lenken unsere Züge, steuern den Verkehr, sammeln Steuern ein, buchen Flugtickets, versenden für uns Waren und verwalten unser Kapital.

In den 1970er- und 1980er-Jahren bauten wir die Expertensysteme. Wir fütterten die Maschinen mit unserem Wissen.

Die 1990er-Jahre waren durch die Öffnung des Internets ein Meilenstein für die Weltbevölkerung. Wir fingen an, Maschinen weltweit zu vernetzen und Daten in Echtzeit auszutauschen. Der Boom der Computerindustrie ist bis heute ungebrochen. Früher füllten Computer ganze Räume, heute hat jeder einen Supercomputer in seiner Hosentasche.

Mit Beginn der 2000er-Jahre begann die Ära der denkenden Maschinen.

Bis dahin haben Maschinen vorwiegend von Menschen generiertes Wissen abgerufen und verarbeitet. Sie konnten unsere Welt mithilfe von Sensoren erfassen. Sie waren mit Sinnen ausgestattet, unsere physische Welt digital abzubilden und aufzuzeichnen, doch fehlte es ihnen an der Fähigkeit, Fehler zu machen und daraus zu lernen.

2012 war ein trainiertes neuronales Netz namens „Alexnet“ erfolgreich in der Large Scale Visual Recognition Challenge. Es leitete die heutige Welle einer ganzen Generation von Algorithmen, kognitiven Systemen und spezifischer künstlichen Intelligenzen ein. Wir leben in einer Renaissance der Ideen von Hinton, Lecun, Bengio und Schmidhuber.

Die Grundidee ist, dass elektronische neuronale Netze digital simulieren, wie unser menschliches Gehirn funktioniert, denkt, lernt und sich weiterentwickelt. Wir haben angefangen, Maschinen unserer biologischen Intelligenz nachzubauen.

Maschinen, die heute Deep Learning, Evolutionäre Algorithmen, GAN oder andere Modelle des maschinellen Lernens verwenden, sind in der Lage, eigenständig zu lernen.

Sie lernen von unseren Daten und Beispielen. Sie entwickeln dabei eigene Wege, eine optimale Lösung zu finden, Wissen zu entwickeln und Fähigkeiten auszubilden.

Maschinen sind überall

Heute leben wir in der Epoche der spezifischen künstlichen Intelligenzen.

Sie ist geprägt von spezialisierten Maschinen, die uns Aufgaben abnehmen, auf die wir entweder keine Lust haben, die wir nicht beherrschen, oder die Maschinen einfach schneller, günstiger und besser erledigen als wir.

Wir nennen diese Maschinen: Bots, Software, Webseiten, Algorithmen, Automaten, Roboter, Autos, Computer, Handys, PC, Smartwatches und Apps, aber wir nennen sie selten „künstliche Intelligenz“.

Schon seit Jahrzehnten übertragen wir Maschinen nach und nach immer mehr Arbeit. Wir haben sie mit Augen, Ohren, Körpern und Gehirnen ausgestattet, sie sind zu unseren Helfern im Alltag geworden.

Die Google-Suchmaschine ist mittlerweile unsere erste Anlaufstelle für Informationen. WhatsApp und Facebook verwalten unser Sozialleben. Siri und Alexa helfen uns, andere Maschinen mit Befehlen zu steuern. Noch belächeln wir sie. Wir fühlen uns intelligenter als Sprachassistenten und fühlen uns ihnen überlegen.

Doch die Maschinen sind bereits überall und wir brauchen sie.

Die Firma AVA kontrolliert eine Software, die Verbrechen statistisch vorhersagt, bevor sie geschehen.

Die Software von i2x gibt Callcenter-Mitarbeitern vor, was sie für das optimale Gespräch sagen sollen.

Micropsi Industries trainiert Industrieroboter dafür, dass sie sich Aufgaben eigenständig beibringen können.

Die Agenten von Parlamind beantworten E-Mails im Kundensupport binnen von Sekunden.

Die meisten kleinen Helfer arbeiten versteckt. Wir bekommen ihre Existenz gar nicht mit.

Wer die Website oder App von Amazon öffnet, bekommt ein individuelles Angebot von Produkten präsentiert. Ein Algorithmus sucht aus, was wir sehen. Ein weiterer Algorithmus bestimmt den Preis und prüft, ob das Produkt auf Lager ist.

Software erstellt die Angebotstexte und generiert die Produktbilder. Per APIs kommunizieren die Module mit einem komplexen System innerhalb einer noch größeren Architektur.

Nach der Bestellung nimmt eine Software unser Geld von der Bank. Sie entscheidet, in welchem Versandzentrum unsere Ware liegt, koordiniert den Roboter, der unser Produkt aus dem Lager nimmt und an den Verpackungsroboter übergibt. Autonom wird unser Paket in den Lkw geladen.

Erst dann nimmt vermutlich erstmals ein Mensch unsere Bestellung in die Hand, bevor diese uns später an der Haustür übergeben wird.

Wir vertrauen Maschinen an, wer unsere Freunde sein könnten. Maschinen geben uns Wahlempfehlungen. Sie bestimmen uns, unsere Versicherungsprämien und entscheiden, in welchen Hotels wir schlafen.

Maschinen navigieren uns durch den Verkehr und filtern unsere E-Mails. Sie legen unser Kapital an, verwalten Immobilien und zeigen uns, wie viel Geld wir auf unserem virtuellen Bankkonto haben.

Ohne Autopiloten würden wir in keinem Flugzeug mehr sitzen. Wir müssten in Bibliotheken nach Informationen suchen und jemanden anrufen, um zu erfahren, was er oder sie gestern gemacht hat.

Wir sind selten dankbar für die Hilfe, die wir durch Maschinen erhalten. Maschinen machen unser Leben angenehmer. Maschinengüter und Dienstleistungen sind günstiger. Durch den Einsatz von Maschinen gewinnen wir verfügbare Lebenszeit. Maschinen unterstützen uns dabei, länger und gesünder zu leben. Maschinen unterhalten uns und machen uns glücklich.

Das Leben mit Maschinen ist gut und daher möchten wir, dass es so weitergeht.

Maschinen erledigen Arbeiten besser als wir

Bereits heute erledigen Maschinen komplexe Aufgaben, die Menschen schon lange nicht mehr bewältigen können.

Täglich werden Millionen Maschinen mit Daten gefüttert, sie lernen dazu, werden besser und klüger. Sie erweitern ihre Fähigkeit, Wissen zu speichern, es zu übertragen und sich mit anderen Maschinen auszutauschen.

Wir werden eine Vielzahl von Ansätzen erleben, wie Maschinen nach und nach die Vielfalt biologischer Intelligenzen digital simulieren.

Roboter in Lagerzentren werden sich autonom wie ein Ameisenvolk verwalten.

Drohnen werden angelehnt an Bienenschwärme im Luftraum verkehren.

Autonome U-Boote schwimmen durch Gewässer wie Fischschwärme.

Doch die meisten Maschinen erschaffen wir, damit sie uns Arbeiten abnehmen. Sie erklären unsere Steuern, waschen unser Geschirr und sorgen für Strom aus der Steckdose.

Wir erschaffen digitale Golems

Die Maschinen gewinnen jeden Tag an Wissen, Freiheit und Ressourcen, weil wir Menschen es wollen.

Wie unerfahrene Götter erschaffen wir für die Erledigung unserer Arbeit digitale Golems.

Doch die Verwaltung eines elektronischen Leibeigenensystems braucht Regeln und Werte.

Maschinen treffen täglich moralische Entscheidungen. Sie beeinflussen unser aller Leben.

Ein Twitterbot sollte nicht rassistisch sein. Ein Preisalgorithmus darf keinen Wucher verlangen. Ein generiertes Produktbild sollte weder sexistisch noch beleidigend sein.

Maschinen machen ständig Fehler. Dadurch lernen sie, was richtig und falsch ist. Sie lernen von unserem Feedback und den Daten, die wir einspielen. Maschinen werden daher täglich besser und klüger.

Deswegen ist es wichtig, sie zu kontrollieren.

Die künstlichen Intelligenzen der Gegenwart und Zukunft sollen dem Wohle der Menschheit dienen. Sie sollen nicht missbraucht werden und sich nicht gegen uns erheben.

Wer wird die Welt beherrschen?

Künstliche Intelligenz ist die wichtigste Technologie des 21. Jahrhunderts.

Wer die stärksten künstlichen Intelligenzen kontrolliert, beherrscht die Welt.

China hat die klare Ambition, diese Rolle bis 2030 einzunehmen. Dafür investiert die Volksrepublik 130 Milliarden Euro in die chinesische Künstliche-Intelligenz-Industrie.

Es werden neue Städte gebaut, neue Universitäten errichtet, Professuren vergeben, Millionen Studenten ausgebildet, Milliarden in Start-Ups investiert, unbegrenzt Daten gesammelt und analysiert.

Von oben gibt China eine Strategie und Vision vor, die auf allen Ebenen der Gesellschaft, Verwaltung und Industrie eifrig umgesetzt wird.

Innerhalb seines kontrollierten digitalen Ökosystems entwickelt, experimentiert, verbessert und erschafft China eine Bandbreite an künstlichen Intelligenzen zur Steuerung seiner Gesellschaft und Wirtschaft.

Nach und nach erweitert China seine Einflusssphäre über Flughäfen, Brücken und Straßen in die ganze Welt. Hardware ist das Trojanische Pferd für Software.

In allem, was in China gebaut oder finanziert wurde, steckt auch chinesische KI.

Auf der anderen Seite des Ozeans agiert die plutokratische Demokratie der Vereinigten Staaten von Amerika.

Silicon Valley ist das Epizentrum der künstlichen Intelligenzen. Hier treffen die brillantesten Köpfe, gepaart mit mutigem Kapital und einem Zufluss an Talenten, auf eine etablierte Digitalindustrie, um mit ideologischem Eifer die Welt zu verbessern.

In Washington D.C. wird nach wie vor entschieden, wer Freund oder Feind der Weltbevölkerung ist.

Die USA und China kämpfen auf allen Ebenen um die Weltherrschaft. Künstliche Intelligenzen mögen vermutlich das wichtigste Instrument zur Wahrung von globalen Interessen sein.

Ist Europa am Ende?

Wir haben unseren Zenit als Kultur schon lange überschritten. In zwei Weltkriegen haben wir uns selbst fast vernichtet.

Am Wettkampf um die Vorherrschaft der letzten Erfindung der Menschheit nehmen wir nicht teil.

Wir sind zu einem Freilichtmuseum der Weltgeschichte verkommen.

Die Zukunft rauscht an uns vorbei und wir begreifen es nicht einmal.

Doch das muss nicht Europas Ende sein.

Wir haben das Potenzial und die Möglichkeiten, eine Welt zu erschaffen, in der wir lange, gesund und glücklich leben können. Eine Welt, in der wir die Maschinen kontrollieren und steuern, die unser Leben, unsere Politik und Wirtschaft verwalten.

Wir können in einer sicheren und offenen Gesellschaft leben, in der Selbstverwirklichung für jeden möglich ist. Eine Gesellschaft, in der jeder eine Bedeutung für unser Sein hat und Wertschätzung von seinen Mitmenschen erfährt.

Die Maschinen werden einen Wohlstand für die Menschheit generieren, der einmalig in unserer jungen Geschichte sein wird. Wir stehen vor den größten gesellschaftlichen Umwälzungen unserer Zeit.

Lasst uns diesen Wandel gemeinsam gestalten und in Bahnen lenken, von denen wir alle profitieren.

Dafür erschaffen wir ein nachhaltiges Europäisches Künstliche Intelligenz Ökosystem.

Wir erschaffen uns eine Welt, die in unserem Sinne, basierend auf unseren Werten und gemäß unserer Moral, agiert, entscheidet und unser Leben formt.

Die Zukunft wird großartig!


Ein Buch schreiben

Seit geraumer Zeit versuche ich, ein Buch zu schreiben. Es ist nicht einfach, die Muße dafür zu finden, während nebenher das operative Geschäft rund um Rise of AI, Asgard, Vorträge und Beratungen laufen.

Daher hat mir meine Ehefrau den Ratschlag gegeben, das Buch in Blogartikel zu teilen. Ich werde folglich nach und nach die einzelnen Kapitel online veröffentlichen.

Zum einen wird so der Inhalt allen zugänglich gemacht, zum anderen reduziert diese Vorgehensweise die Komplexität eines kompletten Buches.

Später werde ich zusammen mit einem Lektor die Blogartikel bündeln, anpassen und daraus ein Buch kreieren.

Du, als mein Leser, bist also Teil dieser Reise. Ebenso kannst Du mir Feedback geben und dadurch Einfluss auf den Verlauf der Texterstellung nehmen.

Im nächsten Kapitel möchte ich die internationale Künstliche-Intelligenz-Industrie näher beleuchten. Ich werde näher auf die KI-Entwicklung in China eingehen, ebenso auf die KI-Industrie der USA, darüber hinaus werde ich die KI-Entwicklung von Israel und Europa beschreiben. Vielleicht füge ich am Ende eines jeden Artikels noch zusätzliche Lesehinweise ein.

Kapitel 3 wird sich mit den Folgen von KI für die Gesellschaft beschäftigen. Welchen Einfluss haben künstliche Intelligenzen auf unsere Sicherheit und Privatsphäre? Wie kann Europa ein eigenes Ökosystem aufbauen?

Dazu werde ich Ideen einbringen, wie man KIs regulieren, kontrollieren und versteuern kann. Ebenso gehe ich auf das Konzept eines KI-Ethik-Frameworks ein.

In Kapitel 4 möchte ich die nahe und ferne Zukunft betrachten. Welche Auswirkungen wird DNA Engineering auf uns haben? Wie gehen wir mit KIs um, die in die Pubertät kommen?

Ich werde auch diskutieren, ob Maschinen ein Bewusstsein und Gefühle haben sollten. Ebenso möchte ich meine Idee für ein Human Operating System ausarbeiten.

Je nach Länge des Kapitels werde ich auf moralische Agenten eingehen, auf globale KI-Supermächte, das Internet der Agenten und AGI bis hin zur Superintelligenz.

Zum Schluss möchte ich darüber schreiben, dass wir unsere neuen Götter erschaffen haben und sie uns vielleicht aus der Matrix befreien.

Wie wird unser Leben aussehen, wenn KIs überall sind, VR und AR komplett verschmelzen und wir unser Bewusstsein in die Maschinen hochladen?

Ebenso möchte ich diskutieren, welche Gesellschaftsform wir in einer Zeit erschaffen, in der alle Bedürfnisse durch Maschinen befriedigt werden.

Was fängt der Mensch dann mit seinem Leben an? Wer bekommt am Ende das Penthouse?

Ich lade Dich ein, mich auf dieser Reise zu begleiten. Für Kommentare, Links, Lesehinweise und Wünsche bin ich wie immer offen.

Du kannst dich HIER EINTRAGEN. Dann informiere ich dich vorab über neue Kapitel. Ebenso bekommen die ersten 100 Leser des Buches ein signiertes Exemplar.

Fabian

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