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Der Unterschied zwischen Hardware- und Software- Startups

Hardware ist teuer zu bauen, komplex im Prozess und muss perfekt von Anfang an funktionieren. Zudem gilt Hardware heutzutage eher als trojanisches Pferd, um Software zu verkaufen. Software dagegen begeistert selten, ist abstrakt und hat mehr Wettbewerb. Ein Artikel über die Unterschiede von Hardware- und Software-Gründungen.

Hardware vs. Software Startups

Vor einigen Tagen wurde ein Podcast von mir auf digital kompakt veröffentlicht zum Thema: „Was Hardware so viel komplexer als Software macht“. Daher möchte ich auf dieses Thema tiefer eingehen und die Unterschiede zwischen Hardware- und Software-Start-ups beschreiben. Ich unterteile dies in Produkt, Gründungsteam, Geschäftsmodelle, Vertrieb, Operation, Finanzierung und Investoren.

Hardware muss perfekt sein – Software darf Fehler haben

Die Trennung von Hardware- (HW) und Software- (SW) Gründungen ist recht einfach. Hardware-Start-ups haben ein physisches Gut, Software-Start-ups nicht. Dazu kommt, dass Hardware-Start-ups ihre Produkte in Generation bauen. Man entwickelt oft eine 1.0 Version und entscheidet danach, ob man ein komplett neues Produkt auf den Markt bringt (zum Beispiel iPhone 5 und dann iPhone 6) oder das bestehende Produkt verbessert (iPhone 5S). Jedenfalls muss jede Marktversion perfekt sein und 100 % funktionieren, sonst gibt es eine Menge frustrierter Kunden.

Software-Start-ups haben es da eindeutig leichter. Software lässt sich in Iterationen entwickeln. Man fängt mit einer Alpha an, dann gibt es eine Beta und anschließend eine 1.0. Die meisten Software-Produkte haben Bugs – Perfektion sieht anders aus. Software wird konstant und fortlaufend entwickelt. Es ist ein fließender Prozess bestehend aus Releases.

Hardware-Gründungsteams sind größer

Eine Software-Firma zu gründen ist einfach. Man braucht 2 Entwickler und einen halben BWLer. Heutzutage sollten Frontend, Backend und Machine Learning im Gründungsteam abgedeckt werden (Wie finde ich einen Mitgründer für meine Idee?). Der halbe BWLer ist symbolisch. Gerade SaaS-Teams kommen anfangs recht weit, ohne dass ein Betriebswirt an Bord ist. Bei E-Commerce und Marktplätzen ist die Mischung oft andersrum. Hier suchen sich häufig Ex-Berater einen CTO und legen los.

Für Hardware-Ideen ist es deutlich schwieriger, das Anfangsteam zusammenzusetzen. Man braucht einen Produktdesigner, welcher die Optik (Gehäuse) des physischen Produkts übernimmt. Dazu benötigt man einen Hardware-Ingenieur, welcher den Prototypen baut und das Innere eures Produktes. Ein bis zwei Softwareentwickler sollten ebenso dabei sein: für das Backend (Firmware) und das Frontend (meistens Apps). Dazu ist es hilfreich, von Anfang an einen Kaufmann dabei zu haben, denn die Prozesse für Hardware-Firmen sind komplex.

Hardware-Firmen versuchen Software zu verkaufen

Die Geschäftsmodelle für Software-Firmen sind bekannt: E-Commerce, Marktplätze, Lead Generation (Advertising, Affiliate), Plattformen, SaaS oder APIs.

Die Geschäftsmodelle für Hardware sind weniger vielfältig und ich habe sie ausführlicher hier beschrieben: „Welche Geschäftsmodelle für Hardware gibt es?“.

Zuerst kann man Hardware verkaufen. Doch dabei hat man keine lange Kundenbeziehung und auch keine wiederkehrenden Umsätze. Wer einmal Geld mit digitalen Firmen verdient hat, tut sich schwer, ohne MRR (monthly recurring revenue) zu rechnen.

Daher ist Hardware-as-a-Service eine gute Möglichkeit, Geld zu verdienen. Ähnlich wie bei Software-as-a-Service (SaaS) bekommt der Anbieter eine monatliche oder jährliche Gebühr für die Bereitstellung der Hardware. Darin enthalten sind oft Dienstleistungen wie die Aufbereitung der Nutzerdaten (Analytics) und der Zugang zur Cloud (Vernetzung der Geräte). Die Firma WeissBeerger macht dies zum Beispiel.

Hardware-enabled-Services sind eine weitere Variante. Zusätzlich zum Kauf eines Produktes kann man weitere Premiumfunktionen kaufen. Fitbit bietet seine Fitnessarmbänder an und gegen eine Jahresgebühr gibt es Statistiken und Daten. Die Überwachungskamera Canary kann man kaufen und gegen Bezahlung lassen sich die Aufnahmen auch speichern.

Das ultimative Geschäftsmodell ist dann Hardware-as-a-Platform. Hier dient die Hardware als trojanisches Pferd, um die Software zu verkaufen. Die Hardware ist der Zugang für den Marktplatz, wo die Nutzer wiederum Apps oder Dienstleistungen erwerben. Zum Beispiel ist die Oculus Rift erst wertvoll (Hardware kostet rund 1.000 €) durch die Vielzahl an Anwendungen, die über den eigenen Appstore gekauft werden können. Ebenso ist das Amazon Kindle recht langweilig, wenn man keine E-Books erwirbt.

Hardware-Firmen können Geld verdienen bevor das Produkt fertig ist

Der Vorteil von Hardware-Produkten liegt im Verkauf. Man kann die klassische bestehende Infrastruktur an Einzel-, Großhändler und Onlinemarktplätzen (vorherrschend Amazon) nutzen. Dazu gibt es die Möglichkeit, sein Produkt schon vor dem Verkauf auf Indiegogo und Kickstarter seiner Zielgruppe anzubieten. Selbst wenn es das Produkt noch nicht gibt, ist es nicht ungewöhnlich, einige Tausend Vorbestellungen zu erhalten.

Software wird meistens über Marktplätze (zum Beispiel den AppStore) oder bestehende Plattformen (zum Beispiel Zendesk) vertrieben. Ebenso sind die üblichen Online-Marketing-Optionen wichtig: social marketing, content marketing, performance marketing (In 10 Monaten auf Platz 1 bei Google).

Wer B2B (Business-to-Business) macht, der kommt nie umher, das Telefon für Cold-Calls in die Hand zu nehmen. Dies betrifft Hardware- sowie Software-Firmen.

Hardware ist richtig kompliziert

Wer eine Software entwickelt, kann diese recht einfach Testkunden zur Verfügung stellen. Entweder es gibt einen Demo-Server, Testflight für Apps oder einen Beta-Zugang. Wer einmal live ist mit seiner Software, kann diese dann sehr gut mit Kennzahlen steuern: Conversion, DAU (Daily Active Users), churn, retention, CAC (Kundengewinnungskosten), CLTV (Kundenwert) und MRR (monatlicher wiederkehrender Umsatz).

Hardware ist dagegen richtig komplex. Erst hat man einen Work-like-Prototypen, bestehend aus vielen Kabeln und einem Arduino-Board. Parallel kann man mit einem 3D-Drucker ein erstes Gehäusedesign entwerfen. Damit ist man noch ziemlich weit von einem finalen Produkt entfernt. Den Prozess beschreibe ich ausführlicher im Podcast.

Die Entwicklungszeit dauert Monate bis Jahre. Die Hardware muss entwickelt werden. Die Hardware muss designt werden. Beides muss mit dem Produzenten abgestimmt werden, ob er dies produzieren kann und zu welchen Preisen. Parallel sucht man Lieferanten für die einzelnen Komponenten und macht sich Gedanken um das Assembly (Zusammenbau der Einzelteile).

Anschließend gibt es eine Series-0 (10 bis 100 Exemplare). Dafür muss vorab schon das Werkzeug (tooling) vorfinanziert werden. Mit den ersten Exemplaren kann dann erst das Testen angefangen werden. Es stehen einige Zertifizierungen im Raum. Als nächster Schritt wird die Logistik organisiert.

Wenn man so weit gekommen ist, dann hat man die klassischen Herausforderungen des Inventory Managements, Working-Capital-Optimierung und Supply-Chain-Managements. Zollbestimmungen, Steuern, lokale Gesetze und Regularien kommen oben drauf.

Hardware ist teuer

Software ist recht günstig zu entwickeln, am Anfang. Für unsere erste Version von Wunsch-Brautkleid haben wir damals weniger als 1.000 € investiert. Dank WordPress, Shopify, GitHub und AWS ist Software-Entwicklung immer günstiger geworden. Umso mehr spielt Zeit eine Rolle.

Viele Teams sind in der Lage, mit 100.000 € bis 300.000 € einen Produkt-Market-Fit zu erreichen. Wer gut ist, braucht weniger.

Geld (eine Finanzierung) wird meistens benötigt, um das Produkt weiter auszubauen und für Marketing. Oft gilt die Regel: Mehr funding = schnelleres Wachstum, da viele Märkte dem „Winner-takes-it-all-Prinzip“ unterworfen sind.

Finanziert bekommt man Software-Firmen recht einfach. Jeder investiert heutzutage in digital.

Für Hardware-Firmen ist es schwerer. Zwar ist der erste Prototyp günstig zu bauen (unter 100 € für ein Board, Kabel und Sensoren), doch um einen Produkt-Market-Fit zu erreichen, muss man etwas produzieren und verkaufen. Unter 500.000 € schafft dies kaum ein Team. Zahlreiche Start-ups verbrennen gut 2 bis 5 Millionen €, bevor sie das erste Mal ein physisches Produkt an Kunden verkauft bekommen.

Dazu kommt die Problematik, dass ohne Geld kein Lager aufgebaut werden kann. Ohne Geld arbeitet kein Lieferant und Produzent. Geld ist eindeutig der Engpass. Und wer wachsen will, muss seinen Umsatz oft vorfinanzieren. Ebenso lassen sich viele Hersteller vorab bezahlen.

Wer finanziert dies nun? Gute Frage. Viele kenne ich nicht. Tipps wären HAX, Hardware Club und Bolt.

Wieso Hardware gründen?

Hardware ist also teuer, schwer und komplex. Es gibt einen Grund, wieso viele dies scheuen. Wieso also eine Hardware-Firma gründen? Nun, zum einen erreicht man so ganz andere Kunden als mit dem reinen Software-Ansatz. Es gibt einfach noch richtig viele Märkte, wo Geld verdient werden kann. Zum anderen kann Hardware begeistern. Die Gründer, die Hardware entwickeln, sprechen und agieren oft mit viel mehr Leidenschaft als ihre Software-Kollegen. Zudem Software einem stärkeren Wettbewerb ausgesetzt ist, denn wer nicht schnell ist, der verliert.

Am Ende ist es die Frage, womit Du Deine Lebenszeit verbringen willst?

Interessant?