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158.000 € in 38 Tagen – meine Erfahrungen mit Crowdfunding

Letzter Beitrag war über die Gewinnung von Business Angels. Vielleicht sogar interessanter ist es, dass wir unsere Erfahrungen mit Crowdfunding (oder auch Crowdinvesting) teilen. Dazu gibt es nur wenige Berichte und doch viele Fragen.

Vorab daher die wesentlichen Fragen: Für wen ist Crowdfunding etwas und was spricht dagegen? Worauf achten, wenn man sich eine Plattform auswählt? Wie läuft Crowdfunding eigentlich ab? Und noch einige nützliche Hinweise.

Als erstes entscheidest du, ob Crowdfunding überhaupt das richtige Finanzierungsmedium ist für dich.

CROWDFUNDING IST EIN KREDIT VON VIELEN KLEINSTINVESTOREN

Das Konzept ist, dass viele  Menschen kleine Summe bei euch in die Firma investieren. Es hat Ähnlichkeiten von einem IPO, wo du auch Leute brauchst, die Anteile der Firma kaufen. Für Crowdfunding brauchst du einen Plattformbetreiber. Jemanden, der die technische und rechtliche Abwicklung übernimmt. Sicherlich kannst du es alles selber organisieren, doch entsteht dadurch ein enormer Aufwand (besonders juristisch). Die Plattformbetreiber (wie z.b. Seedmatch und Companisto) haben die Erfahrungen, wie alles vertragliche sauber über die Bühne gehen sollte.

Am Ende hast du dadurch nur einen (Vertrags)Partner. Die Plattform. Nicht die Hundert Investoren, denn diese gehen auch nur einen Vertrag mit der Plattform ein. Die Betreiber dieser Crowdfundingseiten erhalten dafür eine Gebühr. Sie bündeln all die kleinen Summen und du erhältst dafür eine große Überweisung am Ende.

In unserem Fall wurde uns die Summe als Kredit (8 Jahre Laufzeit) zur Verfügung gestellt. Wir haben 158.000 € an Kredit erhalten. Davon ziehe ich die Gebühren (10% zzgl. MwSt) ab. Wir haben also netto 142.000 € bekommen. Entweder wir zahlen in 8 Jahren 158k zurück, oder die Investoren profitieren mit uns an einem Verkauf der Firma. Auszahlung an Dividenden ist natürlich ebenso möglich. Die Kreditgeber erhalten 15% von allem, was auch die Gründer kriegen (Verkaufserlöse oder Ausschüttungen).

Da es kein Eigenkapital ist, sondern ein Darlehen, gibt es keine Mitspracherechte für die Investoren. Aus Gründersicht daher ein großer Vorteil: Kapital ohne Mitsprache.

IST CROWDFUNDING DAS RICHTIGE FÜR MICH?

Crowdfunding ist eine neue Art der Finanzierung. Kaum etabliert und skeptisch beachtet von Business Angels und VCs. Auch wissen 99% der Leute da draussen nicht, was das alles wirklich ist.

Daher vorab mein Tipp: Macht Crowdfunding nicht aus Geldnot. Geld wird einfach nicht garantiert. Es kann viel werden oder auch wenig.

Hast du ein Produkt, was alle verstehen? z.B. gut für Crowdfunding sind Startups, die Endkonsumenten treffen, wie Wein, Versicherung, Joghurt oder Tee. Jeder muss das Produkt verstehen. Desto greifbarer die Idee, umso mehr Investoren gewinnst du.

Auch musst du bereit sein dich zu öffnen. Tausende Leute werden euch hinterfragen, eure Zahlen anzweifeln, euer Geschäftsmodell verneinen. Du musst mit der Presse sprechen, vor der Kamera stehen und kannst dich nicht mehr hinter deinem Macbook verstecken.

Und hast du ein gutes Netzwerk? Je mehre Leute du kennst, desto schneller geht die Kampagne voran. Entweder viele Kleinstinvestoren (aus der Schule, Uni, Arbeit, Sport, Familie) oder auch größere Investoren (berufliches Netzwerk). Du und dein Team, ihr müsst eine Menge Leute mobilisieren, denn es wird kein Geld vom Himmel regnen. Ausnahme natürlich, wenn du eine erstklassige Idee hast, welche ganz für sich alleine spricht.

Der letzte Entscheidungspunkt ist, willst du die Kontrolle behalten über deine Firma und trotzdem Geld für Wachstum erhalten? Dann ist Crowdfunding eine Möglichkeit für dich.

ZU WEM GEHEN UND WIE FANGE ICH AN?

Aus meiner Sicht gibt es nur zwei große Anbieter in Deutschland: Seedmatch und Companisto. Natürlich findest du dutzende weitere Plattformen, doch diese sind wesentlich kleiner.

  • Meine Empfehlung: schaue dir alle Anbieter parallel an. Trifft dich mit ihnen, stelle Frage, hole Referenzen ein. Erkundige dich wie Konditionen sind, der Ablauf, das Konzept und deren Reichweite.
  • Rede mit den Gründern der Plattform. Magst du sie? Sind sie dir sympathisch? Gibt es ein Vertrauensverhältnis?
  • Nach den ersten Gesprächen wird deine Idee geprüft. Wenn diese vielversprechend ist, bekommst du ein Term Sheet. Lass dich nicht unter Druck setzen. Gute VCs geben dir 4 bis 6 Wochen Zeit für Verhandlungen. Das ist fair. Wenn dir Jemand sagt „Term Sheet ist nur 1 Woche gültig“, dann ist dies künstlicher Druck. Aus meiner Sicht eine unsaubere Geschäftsmethode, denn wenn du Jemanden haben willst, dann wartest du auch. Ich habe bereits Bewerbern gesagt: „Hey, hier ist das Angebot. Entscheide dich wenn du magst. Wir warten auf dich.“
  • Lese die Verträge genauestens. Lasse diese vom Anwalt prüfen. Oft ist das Vertragswerk voller Kleingedrucktem und du hast nur Nachteile, wenn du nicht darauf achtest. Bedenke, dass der Crowdfundinganbieter diese Verträge bereits dutzende Male umgesetzt hat. Du noch nie.
  • Lasse dir auch vorher einen PR Plan geben. Frage ebenso nach Referenzen und welche Kontakte bestehen. PR ist super wichtig und der Anbieter muss diese beherrschen.
  • Schließe ein SLA (Service Level Agreement) ab, dass dir die Verfügbarkeit der Plattform garantiert wird. Du willst nicht, dass diese abschmiert, wenn mehr als 10 Leute zugleich bei dir investieren wollen.
  • Überprüfe auch vorher, ob Investitionen aus dem Ausland (z.B. der Schweiz) möglich sind.
  • Schau dir genau die Auszahlungsmodalitäten an. Es kann gut sein, dass du 1,5 Monate auf dein Geld warten musst, nachdem die Kampagne bereits abgeschlossen ist. Auch habe im Hinterkopf, dass es weniger Geld ist als geplant. Die Provision und Mehrwertsteuer wird abgezogen vorab.
  • Sprich mit erfolgreichen Startups. Frage nach deren Erfahrungen. Hole dir Referenzen ein.
  • Angeblich bekommst du bessere Bewertungen als bei Business Angels. Ich stimme dem nicht zu. Wäre ich bei Privatinvestoren geblieben, hätte ich mehr Geld zu einer besseren Bewertung bekommen können. Also wie ich schon sagte: mach es nicht für das Geld.
  • Beim Videodreh (ja, du brauchst eines). Mache ein Storyboard selber oder finde einen Dienstleister, welcher dich gut in Szene setzen kann. Es ist das Verkaufsvideo deiner Kampagne und hat ganz andere Anforderungen als ein Werbevideo, Kurzfilm, Doku oder Reportage. Prüfe den Dienstleister genau, sonst verliert du sehr schnell viel Geld. (So ein Video kann gut bis zu 10.000 € kosten).
  • Sprich vorher über die Laufzeit der Kampagne. Du glaubst es sind nur 30 Tage? Es kann sehr viel länger dauern.

ABLAUF CROWDFUNDING – SO GEHT ES LOS

Nun ein paar Worte, wie Crowdfunding genau abläuft. Denke dies ist nicht klar für jeden Leser.

  1. Wähle eine Plattform aus. Bewerbe dich. Wie immer am besten über ein Intro.
  2. Verhandle. Erhalte ein Term Sheet. Prüfe die Verträge. Unterschreibe.
  3. Erstelle ein Profil. Dies ist dein Investment Pitch. Bedenke, dass dieser öffentlich ist. Jeder kann es nun lesen. Schreibe über Team, Markt, dein Produkt.
  4. Mache tolle Fotos. Diese sind wichtig. Wir hatten Kopf&Kragen und waren sehr zufrieden. Hier nicht sparen, denn die Fotos wirst du immer wieder brauchen können.
  5. Du drehst ein Video. Die einen sagen, das Video ist sehr wichtig. Ich kann es nicht bestätigen. Bisher habe ich keine Korrelation zwischen Top-Video und Geld gesehen.
  6. Vor dem Start der Kampagne fängst du an Investoren zu suchen. Du willst gleich am Anfang einen „Anchor“Investor haben. Jemand, der ein positives Signal setzt. Dies sind 5.000 oder auch 25.000 €, die in den ersten Minuten eingezahlt werden.
  7. Du bist live. Idealerweise kombiniert mit PR (wir hatten einen Artikel auf Gruenderzene). Jetzt kannst du anfangen Freunde und Bekannte zu nerven.
  8. Die kommenden Wochen sehen dann so aus: Hunderte Fragen und Kommentare beantworten. Mit Leuten telefonieren, die später 25 € investieren. Emails beantworten, für die es 5 € gibt. Andere Leute erinnern. Konzept dutzendemal erklären. Ein paar Interviews geben, falls einer berichten will. Zusehen, wie langsam der Geldpegel steigt.
  9. Endspurt. Letzten Tage. Hier kommt noch einmal etwas zusammen. Bei uns war es der Sprung über die 100.000 € Marke. Alles geben, denn danach bist du durch.
  10. Ende. Auf dein Geld warten. Kann etwas dauern.

HINWEISE UND TIPPS – DIE VOR- UND NACHTEILE

Was sind nun die Vorteile vom Crowdfunding?

  • Du bekommst Geld, auch wenn du kein Netzwerk zu Business Angels oder VCs hast. Es ist also eine Geldquelle für Startups, welche noch kein Netzwerk haben. So gesehen finde ich diese Idee toll, denn es hilft Ideen zu finanzieren die sonst kein Geld erhalten würden, nur weil die Gründer neu in der Szene sind.
  • Es ist wie eine Wahl: Wer Sympathien erzeugt, der gewinnt. Es geht hier nicht um Leistung.
  • Es gibt PR Nebeneffekte. Mache es jedoch nicht für die PR. Da draussen interessiert keinen was Crowdfunding ist. Der „Hype“ ist abgefahren.
  • Du bekommst viele kleine Investoren. Dies kann eines Tages nützlich sein.
  • Angeblich soll es bessere Bewertungen geben. Kann dies nicht bestätigen.

Und was spricht dagegen?

  • Nachfolgende Investoren sind skeptisch. Es kann also spätere Runden verhindern.
  • Du bist in der Öffentlichkeit und lässt die Hosen runter. Manche Leute stehen dadrauf, andere nicht.
  • Du kannst nicht planen mit dem Geld, denn es können 50.000 € werden oder 500.000 €. Total ungewiss.
  • Du muss mit einem Klingelbeutel rumlaufen. Keiner schenkt dir Geld nur weil du ein Video hast. Du wirst deine Freunde nerven und immer wieder um eine Spende fragen.
  • Deine Investoren haben wenig Ahnung von deinem Startup. Es sind keine Experten.
  • Du bist jetzt verschuldet. Gewöhne dich dran.
  • Und deine Freunde haben investiert. Die zählen auf dich. Also lebe mit dem sozialen Druck.

FAZIT – NACH EINER ERFOLGREICHEN KAMPAGNE

Ich fand die ganze Idee von Crowdfunding interessant. Ich habe sowas noch nie gemacht, jetzt bin ich um diese Erfahrung reicher. Doch gebe deine Illusion auf, dass die Plattform die Investoren holt. Man denkt, du gehst online und Geld kommt rein. Nö. Du musst die Investoren schon selber reinholen. 80% der Beiträge über 2.000 € kamen über unser Netzwerk. 40% der Gesamtsumme sind Freunde und Bekannte gewesen. Der Rest war Kleinzeug (mal hier 5 €, dort 200 €). Das ist natürlich gutes Geld. Die Leute sind engagiert und schreiben dir Emails, doch diese bringen nicht die großen Summen auf.

Abstrakt gesehen ist Crowdfunding nicht mehr als ein rechtliches Vehikel zu Bündelung von Kleinstinvestoren. Mit einem Anwalt und einer PR-Beraterin kannst du dies auch selber aufsetzen. Auf der anderen Seite würdest du nie 400 neue Investoren finden.

Es ist nicht billig. Eine Runde mit Business Angels kostet ca 5.000 € für Anwälte. Crowdfunding braucht Fotos (+ 500 €), ein Video ( + 2.000 €), Anwälte ( + 1.000 €) und die Provision für die Plattform. Uns hat es also gut 25.000 € in Summe gekostet. Ne Menge Geld. Und dies muss auch zurückgezahlt werden.

Ich kann jetzt noch nicht sagen, ob ich es gut oder schlecht finde. Wir bereuen es jedenfalls nicht. Doch zugleich ist es noch zu früh eine eindeutige Empfehlung zu geben.

Falls es eine Option für dich, dann schau dir meine Tipps an. Mach nicht die gleichen Fehler wie wir. Und bedenke auch, dass es natürlich Defokus ist. Wer Fundraising macht, kann nicht das Wachstum der Firma vorantreiben.

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